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Inklusion

Für Vorpommerns Förderschüler wird es schwieriger

Anklam / Lesedauer: 2 min

Ab 2024 werden die Förderschulen in Vorpommern-Greifswald geschlossen. Was das für Probleme mit sich bringt, erzählt Andrea Christiansen. Sie hat das Chaos bereits erlebt.
Veröffentlicht:17.01.2023, 05:44

Von:
  • Matthias Lanin
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Dass ab kommendem Jahr die noch verbleibenden elf Förderschulen im Landkreis Vorpommern-Greifswald geschlossen werden, hat nicht nur in der Region für Ängste, Sorgen und Diskussionen gesorgt. Auch im Nachbarbundesland Schleswig-Hohlstein hat die Nordkurier-Berichterstattung darüber ein „altes Thema“ wieder in den Mittelpunkt gerückt. Dort sind die Förderschulen bereits vor knapp zwölf Jahren von der Bildfläche verschwunden.

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Befürchtungen sind eingetreten

„Das war absolut kein guter Schritt für uns und wir sehen traurig zu, wie die Fehler im Osten wiederholt werden“, sagte Lerntherapeutin und Buchautorin Andrea Christiansen (58), die nördlich von Hamburg eine Praxis für Kinder mit Lernschwierigkeiten betreibt. Einer ihrer beiden Söhne hat sich mit einer genetisch bedingten Legasthenie gerade in der Anfangszeit der Inklusion durch das Schulsystem gekämpft. In Hamburg, wo die Schulen zuerst geschlossen wurden, habe es Elterninitiativen, Unterschriftensammlungen und viel Streit gegeben, als die Förderschulen gestrichen wurden, erinnerte sie sich.

Doch alles Aufbegehren sei umsonst gewesen. „Und unsere Befürchtungen sind dann eingetreten. Jetzt, ohne diese sonderpädagogischen Schulen, sehen wir alle Beteiligten überfordert“, sagte sie. Das gelte für Kinder und Eltern ebenso wie für Lehrkräfte und Schulleitungen.

Die Inklusion sei im Westen wie auch in Vorpommern gedankenlos umgesetzt worden. „Mit einem Wort: falsch“, sagte sie. Statt die Schulen erst zu schließen, um dann zu sehen, „was in die Brüche geht“, hätten die Behörden zuerst massiv mehr Förderlehrer ausbilden sollen. „Stellen Sie sich eine Klasse mit 25 Viertklässlern vor, in die jetzt ein autistisches und ein legasthenisches Kind kommen. Wie soll ein Lehrer dort unterrichten? Er beschäftigt die Förderschüler mit Ausmalbildern, während er den anderen Kindern etwas beibringt“, sagte Christiansen.

Deutlich schlechtere Abschlüsse der Förderschüler

Zuvor hätten Förderschüler fünf Förderstunden täglich bekommen, nach der Abschaffung der Schulen waren es nur noch zwei in der Woche. Das sei, in ihren Augen, weder Gleichstellung noch Gleichberechtigung, wie sich die Vereinten Nationen das vorgestellt hätten. „Diese Schüler bleiben deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück, weil sie keine Förderung oder das auf sie zugeschnittene Schulmaterial bekommen.“ In Schleswig-Hohlstein habe sich gezeigt, dass die Abschlüsse der Förderschüler nach dem Umsetzen der Inklusion deutlich schlechter wurden, berichtet Andrea Christiansen.

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Die 1400 Förderschüler im Landkreis Vorpommern-Greifswald werden ab 2024 nach und nach auf die Förderschulen verzichten müssen. Im Verlauf der Schulinklusion setzen deutsche Behörden und Parlamente eine Vorgabe der Vereinten Nationen um. Diese seit 2008 geltende UN-Konvention soll die Benachteiligung und Stigmatisierung von Menschen mit Behinderung abschaffen.