Tunnelbauprojekt

Swinetunnel an der Ostsee fast fertig - was bedeutet das für Insel Usedom?

Usedom / Lesedauer: 4 min

Ende Mai soll die unterirdische Verbindung zwischen den Inseln Usedom und Wollin eröffnet werden. Fahren jetzt die Touristen scharenweise nach Polen? Drohen mehr Staus? 
Veröffentlicht:11.03.2023, 08:00

Von:
Artikel teilen:

Seit dieser Woche rücken die Sattelzüge mit heißer Fracht an: Im Swinetunnel haben die Asphaltierungsarbeiten begonnen. Auf voller Straßenbreite von 10,5 Metern schiebt sich unter der Swine zwischen Usedom und Wollin der Asphaltfertiger durch das knapp 1,5 Kilometer lange Bauwerk.

Für einen Tag sind allein die Fußgänger am Zug

Das Finale rückt näher: Wenn in einem weiteren Schritt auch die Verschleißschicht, auf der später die Autos fahren, eingebracht wurde, beginnen die Sicherheitstests des Swinemünder Tunnels. Laut Investitionsplan soll der Bau am 25. Mai übergeben werden.

Für einen Tag sind dann die Fußgänger am Zuge: Vor der Freigabe für Fahrzeuge können Spaziergänger von der Insel Usedom aus die Nachbarinsel Wollin erreichen. Swinemünde, die Stadt auf 44 Inseln, bereitet sich  auf die feierliche Eröffnung des Swinetunnels vor. Statt gemächlich über die Swine zu schippern genügen künftig mit dem Auto wenige Minuten, um von der einen auf die andere Seite zu gelangen. Bis zu 38 Meter unter dem Meeresspiegel liegt der Tunnel, der auf Wollin nach einem Schlenker wieder an die Oberfläche führt.

Noch schrecken viele Touristen wegen der umständlichen Überfahrt vor einem Ausflug an die westpommersche Ostseeküste auf polnischer Seite zurück. Bald kann ohne langes Anstehen an der Fähre eine Tour nach Misdroy, Rewal oder Kolberg zum Pflichtprogramm jedes Usedom–Urlauber werden. „Der Wettbewerb um die Gunst der Urlauber verschärft sich weiter“, schätzt Ralf Pfoth, Vize–Hauptgeschäftsführer der IHK Neubrandenburg, ein.

Hoteliers und Dienstleister auf Usedom haben schon heute eine Ahnung, was sie dann erwartet. Die lange Strandpromenade zwischen den Kaiserbädern und Swinemünde und die beiden Straßenübergänge in Ahlbeck und Garz machen die Grenze schon jetzt durchlässig. Der Konkurrenzdruck sei ohnehin schon da — nicht zuletzt wegen des Kostenvorteils auf polnischer Seite und zahlreicher Investitionen in Übernachtungskapazitäten, bestätigt Pfoth.

Wird der Tunnel den Tourismus verändern?

Wer Swinemünde oder Misdroy mit ihren Bettenburgen und vollen Promenaden kennt, wird die Bäderarchitektur von Ahlbeck bis Bansin zu schätzen wissen: Auch aus Richtung Polen kommen demnächst die Gäste leichter auf die deutsche Seite. Pfoth sieht einen weiteren Vorteil des Tunnels: Die inzwischen unverzichtbaren polnischen Mitarbeiter in vielen Betrieben kommen auch aus dem Hinterland leichter an ihre Arbeitsstelle in Deutschland.

Der geöffnete Tunnel stößt auf ein Straßennetz, das schon jetzt bei Traumwetter, in Ferienzeiten und zu Feiertagen an seine Belastungsgrenze stößt. Lange Staus gehören zum Alltag der Urlaubsinsel. „Wir reden über zusätzlichen Pkw–Verkehr durch den Tunnel. Dramatisch mehr wird es wohl nicht werden“, erklärt IHK–Vize Pfoth. Wo es dann stocken könnte, ist noch nicht ausgemacht: Dank Tunnel rücken aus Richtung Berlin An– und Abfahrt nach Usedom über Stettin statt wie bisher über Anklam oder Wolgast in den Bereich des Möglichen. Beträgt die Entfernung auf deutscher Seite auf kürzestem Weg zwischen dem Kreuz Uckermark von A11/ A20 und Ahlbeck knapp 130 Kilometer, ist auf polnischer Seite die Strecke zwischen Kreuz Uckermark und Ahlbeck über Golenow nur rund 25 Kilometer länger.

Schweren Lkw–Verkehr soll es nicht geben

„Echte Entlastung wäre grundsätzlich nur über mehr öffentlichen Nahverkehr zu erzielen“, vermutet Pfoth. Eine der größten Befürchtungen, dass lange Lkw–Kolonnen den kurzen Weg von Polen nach Deutschland nehmen könnten, sei ausgeräumt worden. Das bestätigt das Landesamt für Straßenbau und Verkehr in Rostock. Eine unbegrenzte Zunahme des Schwerlastverkehrs werde es nicht geben, erklärt Dezernatsleiter Michael Friedrich auf Anfrage. Er verweist auf die Tonnagebegrenzungen von 7,5 beziehungsweise 5,5 Tonnen auf den beiden Straßenverbindungen zur Grenze.

Friedrich nimmt Bezug auf ein so genanntes Swine–Gutachten, in dem 2017 im Auftrag des Landes mögliche Auswirkungen des Tunnels auf die Region untersucht worden seien. Es werde mit einer „moderaten Verkehrszunahme“ gerechnet. Größere Folgen als der Tunnel auf die Fahrzeugdichte habe vielmehr der Ausbau touristischer Kapazitäten samt damit verbundenem Verkehr.

Usedomer Eisenbahnfreunde diskutieren in Anklam aktuelle Pläne
Bahnanbindung

Usedomer Eisenbahnfreunde diskutieren in Anklam aktuelle Pläne

qAnklam

Der Dezernatsleiter verweist auf eine Reihe von Projekten, um die Aufnahmefähigkeit der Straßen und Kreuzungen zu erhöhen. Demnach wurden seinen Angaben zufolge mehrere Knotenpunkte auf den Zufahrtsstrecken nach Usedom als auch auf der Insel erweitert. In vorrangiger Planung befinden sich zudem laut Friedrich der Ausbau von Kreuzungen in Bannemin, Zinnowitz und Koserow. Für die neue Peenequerung bei Wolgast sei 2021 der Bau in Regie des Bundes begonnen worden. Das Land Mecklenburg–Vorpommern plane seinerseits die Umgehung des Ortes Zirchow zwischen Stadt Usedom und Ahlbeck. Damit seien künftig ebenfalls Entlastungen verbunden.