Dieses Satire–Trio nimmt die tiefe Provinz aufs Korn
Zinnowitz / Lesedauer: 2 min

Susanne Schulz
Es gibt sie wieder, die ausverkauften Theatervorstellungen. Erst recht in einem Genre, dem selbst Corona wenig anhaben konnte und das aus politischen und/oder gesellschaftlichen Krisen sogar seinen wichtigsten Nährstoff zieht: Kabarett! „Überall ist besser als nichts“, erkennt etwa das Freche Küsten–Kabarett der Vorpommerschen Landesbühne in seinem neuen Programm, mit dem es sich am Wochenende in der ausverkauften Blechbüchse in Zinnowitz von einem gut aufgelegten Publikum feiern lassen durfte.
Auch hohe Politik bekommt ihr Fett weg
Wie sich‘s gehört, bekommt die tiefe Provinz da ebenso ihr Fett weg wie die hohe Politik. Konträre Zukunftsvisionen einer Kita–Gründung zwischen „lustigem Tannenzapfen“ und „frühkindlichem Leistungszentrum“ oder das Selbstverständnis mächtiger SUV–Piloten und die Hilflosigkeit einsamer Klima–Demonstranten wechseln sich ab mit einer hübsch makabren Bestattungsberatung oder einem Flughafen–Schalterduell mit „höheren Mächten“ samt Ost–West–Dresche.
Dass das Programm ursprünglich in und für Berlin entstand (für die von Autor Frank Lüdecke geführten „Stachelschweine“), ist nicht immer durch den Abruf vorpommerscher Ortsnamen zu verhehlen. Auch der Zeitstempel mancher politischen Anspielung ließ sich nicht nahtlos ins Frühjahr 2023 setzen. Jedoch funktionieren gerade die politischen Sketche gerade dort, wo sie nicht ausdrücklich den Orts– und Augenblicksbezug suchen: etwa in der Fernsehdebatte eines Wahlabends des Jahres 2033 in dystopischer Umgebung oder beim Song auf das zerfallende Europa mit wieder wachsenden Mauern.
Lässiges Spiel und ohrwurmiger Gesang
Diese Szene liefert auch eine der markantesten Umsetzungen für die von Regisseur Marcus Kaloff gleich mit entwickelte Ausstattung, die aus diversen metallenen Koffern und Kisten wechselnde Kulissen entstehen lässt. Flott tummelt sich darin das diesjährige FKK–Trio, das sich übrigens trotz des reizenden Kürzels des Frechen Küsten–Kabaretts nicht nackig machen muss: Reiko Rölz mit lässigem Spiel und ohrwurmigem Gesang (etwa beim Schmachtfetzen auf die mehr oder weniger gegenwärtige Politikergilde), Birgit Lenz als „sichere Bank“ in wohl jedem Genre, frisch–fröhlich dazu Martha Tham, Demnächst–Absolventin der Zinnowitzer Theaterakademie.
Nachdem zu Beginn des Abends der Unterschied zwischen Kabarett und Kavallerie erhellt wird, schwingt der Text später doch einige Male Derberes als die ganz feine Satire–Klinge. Einen großen Bogen zu schlagen zwischen vorpommerschen Kümmernissen und großpolitischen Reizthemen, das macht indessen allemal den Charme des Frechen Küsten–Kabaretts aus.
„Überall ist besser als nichts“:
Weitere Vorstellungen gibt es am 28. März und 10. April in der Blechbüchse Zinnowitz, am 31. März in der Barther Boddenbühne und am 6. April im Theater Anklam. Karten gibt es unter 03971 2688800.