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▶ Swinemünde gedenkt der Schiffskatastrophe vor Rügen

Swinemünde / Lesedauer: 4 min

Für einen Moment setzte das alltägliche Leben in Swinemünde am Freitag aus. Stattdessen heulten die Schiffssirenen. Der Hintergrund ist tragisch.
Veröffentlicht:14.01.2022, 17:31
Aktualisiert:14.01.2022, 20:03

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Der Untergang des polnischen Fährschiffes „Jan Heweliusz” im Jahr 1993 war am Freitag Anlass einer Gedenkveranstaltung in Swinemünde. Vertreter der polnischen Marine, aus Politik, Wirtschaft und dem öffentlichen Leben begingen am Morgen eine Schweigeminute und legten Kränze nieder für „diejenigen, die nicht vom Meer zurückkehrten.”

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Sirenen heulen auf

Während der Schweigeminute standen große Teile des öffentlichen Lebens kurz still, durchzogen vom Klang vieler Schiffssirenen im Hafen. Auf allen Kirchtürmen wurden die Glocken geschlagen.

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Schiffsunglück vor 29 Jahren

Der Untergang der Jan Heweliusz, war eins der schlimmsten Schiffsunglücke in der europäischen Schifffahrt und bei vielen in Vergessenheit geraten. Nicht so in der Hafenstadt Swinemünde, wo jedes Jahr zum 14. Januar eine Gedenkveranstaltung stattfindet.

Schon vor dem Auslaufen der Fähre in Swinemünde am Abend des 13. Januar 1993 soll es Probleme mit dem Mechanismus der Ladetore gegeben haben. Tatsächlich hatte die Fähre erst in der Woche davor, im Hafen der südschwedischen Stadt Ystad die Kaianlagen gerammt. 1982 war das 1976 auf einer norwegischen Werft gebaute Schiff im Hafen von Ystad sogar auf die Seite gekippt, weil die Besatzung Lastwagen und Eisenbahnwaggons falsch verteilt hatte. Ein Sprecher der Polizei in Ystad erzählte damals der Nachrichtenagentur dpa, in seinen Kreisen seien über die Sicherheit des Schiffes schon immer sarkastische Witze gemacht worden. In Polen war die Fähre im Volksmund auch unter dem Namen „Jan Hawareliusz”, von Havarie abgeleitet, bekannt gewesen.

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Vier Meter hohe Wellen im Orkan

In den frühen Morgenstunden des 14. Januar 1993 sank das Ro-Ro Fährschiff, das sich auf dem Weg von Swinemünde nach Ystad in Schweden befand, vor der Küste der Insel Rügen im Orkan „Verena” bei Windgeschwindigkeiten von etwa 160 km/h und bis zu vier Meter hohen Wellen. Die Fähre war mit 28 Lastwagen und 10 Eisenbahnwaggons beladen, die offenbar schlecht oder gar nicht gesichert waren.

Um 03.28 Uhr meldete die Besatzung Probleme mit der Ladung, um 04.35 Uhr bekam das Schiff 30 Grad Schlagseite, die Passagiere wurden an die Rettungsstationen beordert. Um 04.37 Uhr wurde der erste Funkruf mit der Bitte um sofortige Hilfe abgesetzt. Um 04.45 Uhr rief die Besatzung „Mayday“, das Schiff hatte da bereits 70 Grad Schlagseite. Nach dem zweiten Notruf um 05.27 Uhr verschwand das Schiff von den Radarschirmen, um 05.50 Uhr trieb es kieloben, bis es schließlich gegen 11.00 Uhr 20 Seemeilen östlich von Jasmund sank.

Mehr als 50 Tote

Trotz sofort eingeleiteter Rettungsmaßnahmen konnten nur neun Besatzungsmitglieder gerettet werden. Aufgrund der Passagierlisten wird vermutet, dass 55 Menschen ums Leben kamen, 35 Passagiere und 20 Besatzungsmitglieder aus insgesamt acht Ländern (Polen, Schweden, Norwegen, Tschechien, Rumänien, Ungarn, Österreich, Jugoslawien). Jedoch konnten nur 37 Leichen geborgen werden.

Der Kapitän der „Jan Heweliusz”, Andrzej Ulasiewicz, hatte damals in alter Tradition und in seiner Pflicht als Kapitän die Kommandobrücke nicht verlassen. „Er gab uns den Alarm zum Verlassen des Schiffes, bis zum Ende versuchte er, die Menschen zu retten. Das Wasser kam immer näher an die Kommandobrücke. Der Kapitän stand dort vom Anfang bis zum Ende mit einem Megaphon in der Hand, gab Anweisungen, rief immer wieder auf, Ruhe zu bewahren. Als das Wasser schon ganz dicht war, bat ihn der Offizier Janusz Lewandowski um Genehmigung, die Fähre zu verlassen. Der Kapitän blieb aber an seinem Platz”, erinnerte sich der Chefsteward der Fähre, Edward Kurpiel, damals gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Ursache des Untergangs war wahrscheinlich ein defektes Ladetor.

Das Wrack der Jan Heweliusz wurde von der Reederei aufgegeben und war zwischenzeitlich zu einem Ziel von Tauchern in der Ostsee geworden, wo es immer wieder zu tödlichen Unfällen kam. Es liegt markiert mit einer befeuerten Gefahrenzone noch heute auf seiner Backbordseite in einer Tiefe von circa 25 Metern.