HTM Peenemünde
Tarifstreit auf Usedom – wo zahlt das Land MV noch zu wenig Lohn?
Schwerin / Lesedauer: 3 min

Andreas Becker
Es klang fast schon etwas pathetisch, was Julian Barlen am Mittwochabend am Ende des ersten Tages der Klausur der SPD-Landtagsfraktion formulierte. „Gute Löhne gehören zur DNA der SPD“, meinte der SPD-Generalsekretär im Brustton der Überzeugung im schmucken Tagungshotel am Fleesensee. Dass die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern seit fast 30 Jahren in Regierungsverantwortung stehen und der Nordosten heute immer noch im Lohnkeller Deutschlands festsitzt, mag der SPD-Mann bei seiner Aussage vielleicht verdrängt haben.
HTM in Peenemünde kämpft mit der Landesregierung in MV um Tariflohn
Und noch etwas hatte Barlen offenbar gerade nicht auf dem politischen Schirm: Die SPD fordert seit Jahren die Unternehmen in Mecklenburg–Vorpommern auf, gute Tariflöhne zu zahlen — doch beim Historisch–Technischen Museum (HTM) in Peenemünde auf Usedom, an dem das Land eine Mehrheitsbeteiligung hält, tobt seit Monaten ein erbitterter Kampf um eben diese Löhne. Gewerkschaft und Landesregierung ringen um die Bezahlung der Mitarbeiter. Die Arbeitnehmer werfen der rot–roten Landesregierung vor, keine ordnungsgemäßen Tariflöhne zu zahlen. Mittlerweile hat die Landesregierung zwar weitere Gelder zugesagt, doch das Thema wabert in der Landespolitik weiter.
Dass Manuela Schwesig als Ministerpräsidentin mit der Situation in Peenemünde nicht unbedingt glücklich ist, ließ am Mittwochabend ihre Wortwahl erkennen. Sie sprach im Zusammenhang mit dem Vergabegesetz und dem von der Landesregierung geplanten Tariftreuegesetz von „guten Tariflöhnen“ und – das war der Unterschied zu Julian Barlen – von „tarifähnlichen Löhnen“. Denn offenbar hat Schwesig erkannt, dass nicht nur Firmen, die in den Genuss von öffentlichen Aufträgen kommen, sondern das Land auch selbst bei den landeseigenen Betrieben tarifgetreu beziehungsweise zumindest „ähnlich“ zahlen müssen.
Immer weniger Tariflöhne in MV
Deshalb hat Schwesig auch ihren Finanzminister Heiko Geue aufgefordert, zu prüfen, ob es weitere Unternehmen mit Landesbeteiligung gäbe, in denen niedrige Löhne gezahlt würden und wie damit künftig umzugehen sei. Auf die Frage, wann diese Prüfung abgeschlossen sei, zuckte Schwesig mit den Schultern. „Einen genauen Zeitpunkt kann ich derzeit nicht sagen“, so die Ministerpräsidentin.
Unternehmensverbände in Bund und Land lehnen die Gesetzesvorhaben zum Tariftreuegesetz ab. Sie sehen darin einen Eingriff in die Tarifautonomie. Erhebungen zufolge geht die Tarifbindung in den deutschen Unternehmen seit Jahren zurück. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahr 2022 für 48 Prozent der Beschäftigten im Westen und für 55 Prozent der Arbeitnehmer im Osten keinen Tarifvertrag. Für Mecklenburg–Vorpommern bezifferte Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) die Quote der nicht der Tarifbindung unterliegenden Beschäftigten mit 59 Prozent. Die Tarifverträge in Ost und West hätten sich inzwischen weitgehend abgeglichen, hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gesagt. Das Ost–West–Gefälle zeige sich heute in der Tarifbindung.