Tourismus
Usedom, Seenplatte, Gutshäuser – dieser Urlaubssommer lief mies
Teterow / Lesedauer: 4 min

Silke Voß
In der Rensower Barockküche brodeln nicht nur die Töpfe, sondern auch die Köpfe. Die lange Tafel ist immer wieder ein Schmelztiegel, ein Stimmungsbarometer. Hier sammeln sich Stimmen derer, die ihr Gutshaus für touristische Zwecke nutzen. Und die waren eher verhalten bis besorgt, was die verklingende Sommersaison betrifft. Überall lief es demnach vergleichsweise schlecht, sagt Knut Splett–Henning, Gastgeber in Rensow. Selbst die Rensower, die auch außersaisonal auf teils internationale Stammgäste zurückgreifen können, sprechen vom „schlechtesten Juli seit zehn Jahren und einem der schlechtesten Monate August seit vielen Jahren.“
Deutsche wollen nach Corona lieber wieder ins Ausland
Deutliche Worte findet auch Miriam Hager vom Schloß Vietgest zwischen Teterow und Güstrow. Als „trübe, aber nicht hoffnungslos“ schätzt sie die Situation ein. Die umtriebige Ex–Hamburgerin musste sogar einige der geplanten Konzerte in ihrem Haus absagen, mangels Gästen. Auch Besucher aus Tagungen haben sich rar gemacht: Alles werde mit spitzem Bleistift gemessen, weil es heißt, es sei kaum Budget da. „Die Leute haben kein Geld mehr“, sagt sie. „Wie lange man das als Gastgeber noch durchhalten kann, ist fraglich.“
Miriam Hager sieht mehrere Indikatoren für einen gewissen Abwärtstrend: Anfragen aufgrund von Anzeigen in einem Hamburger Magazin seien noch zu Ostern und Pfingsten vielfach beachtet worden, jetzt gar nicht. Klicks auf dem Portal Airbnb erfolgen deutlich weniger.
Im Gutshaus Pohnstorf in der Mecklenburgischen Schweiz spricht Gastgeberin Kamila Sösemann zwar von trotz durchwachsenen Wetters gutgelaunten Gästen aus ganz Deutschland. Jedoch: „Nicht jede freie Lücke wurde gefüllt. Da merkten wir, dass die Corona–Sommer vorbei sind und die Deutschen wieder ins Ausland gehen.“ Derzeit buchen eher Firmen auf der Suche nach „besonderen Orte abseits des klassischen Seminarhotels“.
Weniger Gäste auf Usedom
Selbst die stets besser als das „Hinterland“ besuchte Küste sah offenbar weniger Sommergäste als in den letzten Jahren. Nadine Riethdorf von der Kurverwaltung Koserow auf Usedom meint: „Definitiv hatten wir nicht die Urlauberzahlen der Vorjahre.“ Sie führt das „nicht zuletzt auf das Wetter“ zurück. „Bei Regen möchte keiner an den Strand.“ So seien noch Kapazitäten frei geblieben für jedes Budget — „von der Ferienwohnung bis zum Luxusappartement.“ Der sonnige Spätsommer locke derzeit noch einmal Spontanurlauber an.
Auch an der Seenplatte ist die Zahl der Übernachtungen unterdurchschnittlich, wertet der Geschäftsführer des Regionalen Tourismusverbandes, Robert Neidel, eine Erstbilanz aus. Allerdings geht er vom „Rekordjahr“ 2019 aus. Die Halbjahresbilanz im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 lag für die Mecklenburgische Seenplatte bei 97,4 Prozent bei gewerblichen Übernachtungen — damit aber und immer noch über dem Landesschnitt von 95 Prozent, so Neidel.
Geplante Anhebung der Mehrwertsteuer
Angesichts der angespannten Lage blicken viele Touristiker mit besorgter Neugier auf das Jahr 2024, wenn durch die wieder geplante Anhebung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und durch das „Tourismusgesetz für MV wiederum die Gäste zur Kasse gebeten werden“, so die Befürchtung.
Tobias Woitendorf, Chef des Landestourismusverbandes, teilt all diese Beobachtungen in einer ersten Einschätzung und erklärt: „Wir sind verwöhnt durch die letzten beiden Supersommer. Daran kann sich 2023 natürlich nicht messen. Vergleichsweise liegen wir bei den ansonsten gemäßigten Zahlen von 2018. Ersten Auswertungen zufolge sind 43 Prozent der Touristiker zufrieden mit dieser Sommersaison, ein Drittel immerhin jedoch auch nicht.“ Zu den Gründen zählt Woitendorf aber auch das widersprüchliche Wetter: Dürre im Frühsommer, Regen und Kälte in den Monaten Juli und August. In einer Branche, die zunehmend von Kurzfristigkeit der Buchungen leben müsse, wirke das nicht förderlich. „Zudem kamen, nachdem Corona gerade einigermaßen überstanden war, Krieg und Preissteigerungen.“
„Wollen Tourismus fördern, nicht hemmen“
Die Sorgen der Touristiker um weitere Kostenexplosionen durch die geplante Entfristung der krisenbedingt gesenkten Mehrwertsteuer betont Woitendorf, dass sich der Tourismusverband ganz klar dagegen ausspreche. Was allerdings das Tourismusgesetz inklusive weiterer etwaiger Abgaben betrifft, so spricht er von „Gerüchten“ und bekräftigt: „Wir werden kein Tourismusgesetz formulieren, welches im Übrigen noch kaum Konturen angenommen hat, das die Gäste abschreckt. Denn wir wollen Tourismus fördern, nicht hemmen.“