Brückensperrung

Verkehrskollaps auf Usedom – Tourismus in Gefahr?

Usedom / Lesedauer: 3 min

Die Opposition im Landtag spricht von einem Schildbürgerstreich – der Verkehrsminister von dringend notwendigen Reparaturen: Auf der Urlaubsinsel droht ein Chaos–Sommer.  
Veröffentlicht:09.05.2023, 18:35

Von:
  • Andreas Becker
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Plötzlich muss alles ganz schnell gehen: „Notinstandsetzung“ der Zecheriner Brücke vom 12. Juni bis zum 7. Juli – mit teilweisen Vollsperrungen, verkündete MV–Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) zu Wochenbeginn und schickte die ohnehin nicht gerade vor üppigen Zubringerstraßen strotzende Urlaubsinsel Usedom kurz vor Beginn der Sommersaison in den Schockzustand. 

Schäden nicht erst seit gestern bekannt

Die CDU–Opposition im Landtag schaltete derweil in den Angriffsmodus. „Meyers Ausführungen klingen wie ein Schildbürgerstreich. Wir brauchen uns in Mecklenburg–Vorpommern nicht über mehr Qualität im Tourismus zu unterhalten, wenn das zuständige Ministerium die Nadelöhre zur Insel Usedom zu Kapillaren verengt“, donnerte Wolfgang Waldmüller, tourismuspolitischer Sprecher der CDU–Fraktion im Landtag, in Richtung Landesregierung. Abgesehen davon sei es ein Unding, dass der Tourismus auf Usedom die Hiobsbotschaft anscheinend aus der Presse erfahren musste.

CDU–Verkehrsexperte Daniel Peters ergänzte mit ketzerischem Unterton: „Der Minister glaubt offenbar, die Attraktivitätssteigerung der Bahn herbeizuführen, indem er es Autofahrern pünktlich zu Saisonbeginn praktisch unmöglich macht, mit dem Pkw zu einem von Deutschlands beliebtesten Urlaubszielen zu gelangen.“ Zumal es nicht erst seit gestern bekannt sei, dass es an der Zecheriner Brücke Schäden gäbe. Es wäre sicher möglich gewesen, die Arbeiten in einer touristisch weniger bedeutenden Zeit zu erledigen, so Peters.

Verkehrsministerium: Es besteht Rutschgefahr

Dem widersprach ein Sprecher des Verkehrsministeriums. „Die Bauarbeiten sind dringend notwendig. Bei den Brückenarbeiten handelt es sich um sehr komplexe Vorhaben, die viel zeitlichen Vorlauf, Planung und Umsetzung beanspruchen“, hieß es auf Nordkurier–Nachfrage am Dienstag aus dem Meyer–Haus. Die erst 1996 eingeweihte Brücke weise große Fahrbahnschäden auf, teilweise sei bereits die Brückenklappe blank, so dass Rutschgefahr bestehe, erklärte Annemarie Schaak vom Straßenbauamt Neustrelitz. Die Reparatur lasse sich nicht mehr bis ins Jahr 2028 aufschieben. Dann soll eine neue Hochbrücke nach Usedom in Betrieb gehen, deren Bau vor wenigen Wochen begonnen hatte.

Erschwerend kommt hinzu, dass auch die nördliche Zufahrt auf die Urlaubsinsel – die Peene–Klappbrücke Wolgast — Probleme macht. Dort laufen seit mehr als einem Jahr Reparaturarbeiten, die Staus verursachen, weil nur eine Fahrspur zur Verfügung steht. Diese Arbeiten sollen zur verkehrsstarken Hauptsaisonzeit, wie auch 2022 schon, ausgesetzt werden.

„Unverständnis und Verärgerung“

Die Verkehrssituation – inklusive der jetzt anstehenden Sperrungen – hinterlässt im Tourismus „Unverständnis und Verärgerung“, betonte Lars Schwarz, Präsident des Hotel– und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Mecklenburg–Vorpommern. Gerade der Zeitpunkt zu Beginn der Hauptreisezeit lasse ihn kopfschüttelnd zurück. Die Sperrungen würden massive negative Auswirkungen auf den Tourismus haben, prophezeite der Dehoga–Chef. 

Torsten Haasch, Hauptgeschäftsführer der Industrie– und Handelskammer Neubrandenburg (IHK), bezeichnete „die kurzfristige Durchführung der Sanierung auf der Zecheriner Brücke aufgrund der festgestellten Schäden als unausweichlich“. Zugleich machte Haasch aber deutlich, dass es jetzt wichtig sei, schnell intelligente Lösungen für die Umsetzung der Reparaturarbeiten und der damit im Zusammenhang stehenden Einschränkungen zu finden. Eine Belastung der Einwohner, der Wirtschaftsverkehre und der Besucher der Insel müsse auf ein Minimum beschränkt bleiben. Information und Kommunikation seien nun wichtige Faktoren.

Tausende Brücken marode

Im übrigen zeige die Situation auf Usedom laut Haasch, wie wichtig eine funktionierende und leistungsfähige Straßenverkehrsinfrastruktur auch für unsere Region sei. „Marode Straßen und Brücken können unsere Standortvorteile und Entwicklungsmöglichkeiten deutlich ausbremsen. Wir brauchen ein neues Deutschlandtempo — nicht nur beim Neubau, sondern auch bei der Sanierung unserer Verkehrsinfrastruktur“, stellte der Wirtschaftsvertreter fest. 

Was den Zustand der Brücken in Deutschland angeht, nannte Haasch alarmierende Zahlen: „Von ca. 130.000 Brücken sind insgesamt 15.000 — also mehr als jede zehnte Brücke — sanierungsbedürftig beziehungsweise marode.“