Vineta-Festspiele vor ungewöhnlicher Premiere
Vineta-Debüt in großen Fußstapfen
Zinnowitz / Lesedauer: 4 min

Susanne Schulz
„Vineta muss guuut sein“, säuseln die heimlichen Strippenzieher der reichen Stadt in einem eingängigen Song und lassen dabei schon ahnen, dass ihnen damit nicht gaaanz so ernst ist, auch wenn es den immer wieder durch böse Taten provozierten Untergang zu vermeiden gilt. Umso ehrlicher gilt der Songtitel für die „Macher“ der Vineta-Festspiele in Zinnowitz, deren diesjähriges Stück „Das Goldfest der Gaukler“ am Sonnabend Premiere hat.
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Schließlich treten sie in große Fußstapfen. Denn es ist nach 25 Vineta-Jahren das erste Mal, dass das Stück nicht vom Erfinder des zugkräftigen Freilicht-Spektakels geschrieben und inszeniert wurde: Wolfgang Bordel, langjähriger Patriarch der Vorpommerschen Landesbühne, muss nach einem schweren Unfall Ende 2021 einen langwierigen Genesungsprozess bewältigen. Für die Frage „Was wird nun aus Vineta?“ indessen gab es für die Theaterleitung nur eine Antwort: Auf der Vineta-Bühne muss auch künftig die Geschichte um Aufstieg und Untergang der sagenhaften Stadt gespielt werden.
Ein Konstrukt, das Bordel jederzeit übernehmen kann
Also machten sich die Geschäftsführer Anna Engel und Andreas Flick an die Arbeit, nach Bordels bereits vorliegender Idee das Stück zu schreiben. „Es gab viele unbegründete Ängste, dass wir jetzt die Gelegenheit ergreifen würden, ganz was anderes zu machen“, sagt Flick. Stattdessen entwickelte das Duo ein Konstrukt, in dem sogar jederzeit ein genesener Bordel wieder „übernehmen“ könnte, erzählt Anna Engel.
Theater-erfahren sind sie beide: Für die Anklamerin Anna Engel begann die Bühnenlaufbahn beim Open-Air-Renner „Die Peene brennt“, bevor sie in Berlin Theaterwissenschaft studierte und dann als Dramaturgin in die Heimat zurückkam. Den aus Speyer stammenden Flick hatte nach dem Studium der Theater-, Medien- und Musikwissenschaft die Schauspielausbildung an die Theaterakademie Zinnowitz gelockt. Nach Stationen in Parchim und Anspach kehrte er zurück an die Vorpommersche Landesbühne, wo er sich mit Dramaturgie-, Regie- und auch Bühnenaufgaben sowie seit 2018 als Kaufmännischer Geschäftsführer profilierte. Seit dem vergangenen Herbst steht er gemeinsam mit Anna Engel als Geschäftsführender Dramaturgin an der Spitze des mit mehreren Spielstätten in Vorpommern präsenten Hauses.
Eine Zeit, die das Ensemble „von einer Außergewöhnlichkeit in die nächste“ stürzte, wie Flick feststellt: Besuchereinschränkungen im Herbst, erneute Zwangspause im Winter, dann die allmähliche Entspannung der Pandemie-Auflagen und nunmehr „von null auf hundert“ wieder das volle Programm, mit allen Sommerbespielungen zwischen Heringsdorf und Wolgast, Barth und eben Zinnowitz – und „nebenher“ galt es mal eben ein Stück zu schreiben für Freilicht-Aufführungen vor bis zu 1000 Zuschauern, dreimal pro Woche, mit Musik, Kampfszenen, Tänzen und Lasershow ...
„Für uns war klar: Wenn wir an irgendeinem Punkt unzufrieden sind, holen wir uns Hilfe“, sagt Anna Engel, „aber wir hatten immer das Gefühl, dass wir den nächsten Schritt gehen können.“ Ausgehend vom Grundgerüst für „Das Goldfest der Gaukler“ – zu dem die Vineter so scheinheilig einladen, um ihre Guuutwilligkeit zu zeigen – wurden Ideen entwickelt, irgendwann erste Sätze geschrieben, in einem geteilten Dokument weiter ausgebaut. Gemessen an Bordels Eigenart, immer noch bis zum Schluss am Stück zu „schrauben“, könnte dies die frühest-fertige Version der Festspielgeschichte sein.
Fast alle Mitwirkenden erstmals auf der Bühne
Durchs gemeinsame Schreiben ohnehin intensiv mit genauen Vorstellungen von den Szenen befasst, lag es für die beiden Autoren nahe, auch die Regie zu übernehmen. Samt der besonderen Herausforderung, dass fast alle der 24 Mitwirkenden erstmals auf der Open-Air-Bühne stehen, wo zum Beispiel auch das 1. Studienjahr der Theaterakademie seine ersten Freilichterfahrungen macht. „Eingefleischte“ Vineta-Protagonisten sind wiederum Anna Jamborsky und Erwin Bröderbauer – jedoch in ganz anders gearteten Rollen als in den vergangenen Jahren: als Morna, die hinterlistige Tante des vinetischen Königs, und nicht weniger durchtriebener Hohepriester Orm.
Mit dem populären Mix aus Schauspiel, Tanz, Musik und Show soll das Publikum bekommen, was schon all die Jahre Vineta ausmacht – auch wenn hinter den Kulissen vieles neu ist. Im Ensemble findet das Leitungs-, Autoren- und Regie-Team viel Rückhalt: Die bereits geleistete Arbeit zahle sich in Vertrauen aus. „Alle haben so richtig Lust zu spielen“, sagt Andreas Flick, und Anna Engel spürt den Vorsatz: „Wir kriegen das zusammen hin!“ Vineta, da sind alle fest entschlossen, muss guuut werden.