Reportage

Wird die gesperrte Brücke nach Usedom früher fertig?

Wolgast / Lesedauer: 5 min

Die Arbeiten auf der Brücke nach Usedom ziehen viele Schaulustige an. Doch neben der Neugier gibt es auch reichlich Kritik. Die wichtigste Frage: Wird der Zeitplan eingehalten?
Veröffentlicht:05.09.2023, 17:51

Von:
  • Steffen Adler
Artikel teilen:

Das für Sanierungsarbeiten seit Montagfrüh 8 Uhr weitestgehend gesperrte „Blaue Wunder“ von Wolgast ist derzeit ein attraktives Ziel. Sowohl Einheimische als auch Menschen von der Insel Usedom und nicht zuletzt Touristen verschaffen sich aus nächster Nähe einen Eindruck davon, wie das 1996 errichtete stählerne Brückenbauwerk für die Zukunft fachmännisch fit gemacht wird. „Von uns aus könnten die Arbeiten gern zwei Wochen dauern, denn die Sperrung beschert uns im Ferienquartier in Neeberg eine himmlische Ruhe“, sagt Michael Kussin.

Kritik an zunehmender Verdichtung von Usedom

Er und seine Frau Doris sind mit dem E-Roller unterwegs, um in Wolgast kleinere Besorgungen zu machen. Die beiden Dortmunder kommen schon zum elften Mal auf die Insel Usedom, um sich hier zu erholen. Die Apotheke und der Famila-Markt sind diesmal die Ziele, „und da nehmen wir natürlich die Chance gern mit, uns mal aus der Nähe anzuschauen, was in dieser Septemberwoche auf der Brücke geschieht“, erläutern sie die kleine Tour. Dass die Infrastruktur saniert wird, sei lobenswert. Dass Usedom aber immer weiter zugebaut wird, missfällt ihnen. Denn es gebe genug Quartiere, doch Ressourcen wie das Wasser seien schon jetzt knapp, sagen sie.

1 von 6

150 Meter weiter ist ein Mann um die 60 zwischen den verschiedenen Baubrigaden auf der Brücke zu Gange. Er trägt wie fast alle auf der Baustelle eine orangefarbene Weste und macht an allen Stationen, die Maschinen ansteuern, Halt. Es ist Bodo Ebert von der zuständigen Rostocker Bauaufsicht, dem die Überwachung der Arbeiten obliegt. „Zwar bin ich gesundheitlich etwas lädiert, muss deshalb mit dem Stock gehen“, aber das behindere seinen kritischen Blick nicht. Und wie lautet das vorläufige Fazit des Experten? „Es läuft gut, das sonnige und warme Wetter passt dazu ausgezeichnet.“

Furchtbares Hin und Her über die Brücke

Oliver P. und seine Freundin Clara, beide im Hansa–T-Shirt und Richtung Usedom und Ostseestrand mit dem Fahrrad unterwegs, stoppen kurz, um sich den rappelvollen Parkplatz an der Sauziner Straße in Mahlzow auf der Inselseite anzuschauen. „Krass“ lautet ihr Urteil, denn freie Plätze gibt es in der Mittagszeit zu gut wie keine. Wer auf Usedom wohnt und in Wolgast seien Job hat, aber nicht den ÖPNV nutzen kann oder will, stellt seinen fahrbaren Untersatz in Mahlzow ab, um zu Fuß an die Arbeitsstelle zu kommen; etwa auf die Peene–Werft. Weil die Parkplätze aber rar sind, stellen manche Firmen schon spät abends oder ganz früh morgens ihre Transporter hier ab.

„Eine ganze Woche Vollsperrung der Brücke ist für mich erstens zu lange und zweitens zu einer ungünstigen Jahreszeit“, sagt ein 54–jähriger Handwerker. Er wisse, dass manche Firmen Zwangsfrei anberaumt hätten, um der Verkehrsmisere entgegenzusteuern. Seine Partnerin hat Urlaub, weiß aber um die Nöte ihrer Kolleginnen, die wie sie bei einem Pflegedienst beschäftigt sind. Das Hin und Her über die Brücke sei furchtbar.

Ein Fahrer des in Wolgast ansässigen Fahrdienstes Agilo für kranke und gehandicapte Leute auf der Insel und in Wolgast wartet auf seinen „nächsten Patienten“. Der Fahrdienst sei durch die Sperrung sehr eingeschränkt, besonders wenn Kunden ihre Fahrt im Transporter unterbrechen und die Brücke per Rollator oder Rollstuhl überqueren müssen. Parallel zum Plausch rollt ein Rettungswagen mit eingeschaltetem Blaulicht die B111 herunter Richtung Brücke und Stadt. Wie vorab geregelt reagieren die Maschinisten auf der Brücke, bilden schnell eine Gasse, sodass die Fahrt gen Klinik fortgesetzt werden kann.

Was passiert mit Falschparkern?

Ein älterer Herr denkt schon an seinen eigenen Facharzttermin in dieser Woche. Um den auf keinen Fall zu versäumen, muss er von der Insel bis ins Uniklinikum nach Greifswald die 70 Kilometer Umweg via Zecheriner Brücke und vor allem reichlich Zeit einplanen. „Aber nutzt ja nix, wat mutt, dat mutt“, seufzt er.

Um sich für die Stadtverwaltung einen Überblick übers Baugeschehen und womöglich weitere nötige Aktivitäten zu verschaffen, begleitet Daniel Kasch, Fachbereichsleiter Stadtentwicklung, seine Kollegin Ann Kathrin Dvoratzek auf das „blaue Wunder“. Beide sind optimistisch, dass der Baufortgang wie der Start funktioniert. Beschilderung, Sperrungen und logistische Abstimmungen mit Dritten seien rechtzeitig erfolgt, versichert Kasch. Seine Kollegin bestätigt den Eindruck, dass die Parkplätze für Pendler aktuell weitestgehend ausreichen. Und wo mal ein Fahrzeug nicht 100–prozentig korrekt abgestellt wird, werde man es diese Woche „großzügig und bürgerfreundlich“ handhaben.

Werden die Arbeiten womöglich früher beendet?

Derweil herrscht im Büro der Reederei im Peenemünder Hafen relative Ruhe. Hier hat man mit einem Sonderfahrplan auf die Brückensperrung reagiert, aber zur Kenntnis genommen, dass sich die Besucherfrequenz in Grenzen hält. Auf der 75 Personen fassenden Motorfähre „Apollo 1“ gab es zwar schon Fahrgäste, aber wenige. Schließlich können zwischen dem Inselnorden, Freest und Kröslin ja auch keine Pkw zum Festland mitgenommen werden. Fahrräder allerdings schon. 

Die beste Fachkompetenz und Expertise hat auf und an der Brücke Annemarie Schaak vom Straßenbauamt Neustrelitz. Nicht nur den Journalisten hilft sie mit brückentechnischem Wissen auf die Sprünge, auch für Anfragen Neugieriger steht sie, so es der Ablauf am Rande des lauten und staubigen Geschehens ermöglicht, gern parat. Auf die Frage, ob es bei optimalen Wetterbedingungen und gutem technologischen Gelingen vielleicht sogar möglich sei, die Sperrung für den Straßenverkehr schon früher als am 10. September 24 Uhr wieder aufzuheben, hält sie sich lieber zurück. Gearbeitet werde jeden Tag; und das so lange, dass am nächsten Morgen sofort ordentlich weitergearbeitet werden kann. Über den Wunsch der Touristen im jetzt stillen Neeberg dürfte sie lächeln. Denn ihr liegt zuvorderst daran, dass alle Arbeiten top erledigt und alle Brückenteile so auf absehbare Zeit ertüchtigt werden können.