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ADAC-Pannenhelfer schiebt auf Rügen Sonderschichten

Lobbe / Lesedauer: 6 min

Im Sommer fließt der Verkehr auf Rügen zäh. Jede Panne wird ein zusätzliches Problem. Der Schweriner Stefan Roedszus hat daher seinen Einsatzort auf den Campingplatz Lobbe verlegt.
Veröffentlicht:07.09.2019, 08:38

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Es ist noch früh am Morgen, wenn Stefan Roedszus auf dem Campingplatz „Dat Stranddörp“ in Lobbe zum Handtuch greift und zum täglichen Bad in die Ostsee springt. Dann kocht er sich in seinem Wohnwagen einen Kaffee und genießt die Stille, während sich die ersten verschlafenen Gäste aus den Zelten schälen.

Doch der ADAC-Pannenhelfer, der mitten im Staugebiet auf Rügens Halbinsel Mönchgut Sonderschichten schiebt, ahnt: „Ein ruhiger Tag wird das heute wohl nicht!“ Aus mehreren Bundesländern rollen an diesem Tag die Familienautos gen Norden, und gleichzeitig rüsten andere Urlauber wieder zur Abreise. Seine Ahnung bewahrheitet sich umgehend. Aufgeregt betreten zwei Urlauberinnen von nebenan seine Campingparzelle. „Unser alter Renault springt nicht an“, sagt Anja Hennich aus Bad Kreuznach, die mit ihrer Freundin auf Camping-Rundreise ist. Über Nacht habe die Kühlbox die Batterie platt gemacht, gesteht sie. Und nun komme man nicht weiter. Ob er einfach nur mal kurz gucken könnte?

Der „Gelbe Engel“ aus Schwerin lächelt. In 19 Jahren als ADAC-Mann hat er das schon unzählige Male erlebt. Mit einer Ersatzbatterie bringt er das Urlaubsgefährt wieder in Fahrt. Dann kommt der erste Auftrag aus der ADAC-Zentrale in Hamburg. Auch bei Alt Reddevitz, keine vier Kilometer entfernt, kommen zwei genervte Urlauber aus Schwaben nicht vom Hof ihres gemieteten Landhauses. Wenige Minuten später ist der ADAC-Pannenwagen vor Ort, und der routinierte Helfer überbrückt die völlig überalterte Batterie.

Batterien Ursache vielen Übels

Von jetzt an geht es Schlag auf Schlag. Gina, die Dispatcherin, die im fernen Hamburg dank GPS genau verfolgen kann, wo sich ihr Kollege gerade befindet, schickt ihn zu Panneneinsätzen quer über Rügen – nach Sassnitz, Wiek, Dranske, Lohme, Bergen und Sellin. „Zum Glück ist heute bestes Badewetter, da zieht es die meisten Urlauber an den Strand“, sagt Roedszus, der auf seiner Lieblingsinsel schon im achten Jahr in Folge den Mitgliedern von Europas größtem Verkehrsclub zur Seite steht. „Würde es regnen, wäre die einzige Zufahrt nach Mönchgut vollkommen dicht, weil es die Leute dann in die Städte zieht.“

In den meisten Fällen seien die Batterien Ursache allen Übels, die gingen bei der Hitze oft kaputt, und oft merke man das dann erst im Winter, sagt der Mann, der von sich sagt, dass in seinen Adern gelbes Blut fließt. Es scheint, als ob er für jedes Problem eine Lösung hat. Wenn nicht, dann wird ein Vertragspartner zum Abschleppen in eine Werkstatt gerufen.

Die nächste Fahrt führt nach Mukran. Familie Reiß wartet dort. Bei ihrem Ford-SUV blinkt die gelbe Motorkontrolleuchte. Der ADAC-Mann tippt auf Ladedruckprobleme. Mit dem Laptop liest er den Bordcomputer aus, löscht die Fehlermeldung. Fahrer Tony Reiß kann erst mal weiterfahren. Aber er sollte vor der nächsten Autobahnfahrt dringend noch mal eine Werkstatt ansteuern, rät Roedszus.

Zu DDR-Zeiten nur an Trabis und Wartburgs geschraubt

Der „Gelbe Engel vom Campingplatz“ gehört zu den alten ADAC-Hasen. Angefangen hatte er als Kraftfahrzeugschlosser. Zu DDR-Zeiten hat er fast immer nur an Trabis und Wartburgs geschraubt. Mit der Wende zog es ihn zu Abschleppunternehmen, aber eigentlich wollte er schon immer zum ADAC. Als es dann endlich klappte, wurde er Pannenhelfer im ost-westdeutschen Transitverkehr. Der erfahrene Pannenhelfer lacht, wenn er sich an diese Zeit erinnert: „Mein erster Einsatz war ausgerechnet ein Porsche! Aber ich habe ihn wieder zum Laufen gebracht.“ Später zog es den begeisterten Dauercamper nach Rügen. Die Idee mit der „Einsatzzentrale Zeltplatz“ war nicht ganz neu. Auch rund um den Gardasee in Italien sind regelmäßig im Sommer ADAC-Camper als Pannenhelfer auf den Straßen unterwegs, um zu helfen.

In acht Jahren Rügen-Einsatz hat er viele, auch kuriose Fälle erlebt, sagt Roedszus. „Einmal hatte ein Kunde über eine nicht zu lösende Parksperre geklagt. Dumm nur, dass sich da sein Auto schon auf einer Fähre auf dem Weg nach Bornholm befand.“ Dann klingelt das Telefon: Gina in Hamburg fragt an, ob er kurz noch einen Abstecher zum abgelegenen Zeltplatz Dranske reinschieben könnte, er sei doch ganz in der Nähe. Also wird umdisponiert. Ein Autofahrer in Binz ohne ADAC-Mitgliedschaft wird an einen Abschleppdienst verwiesen. Pech auch für eine junge Familie, die schon über eine Stunde in Bergen wartet.

Und Glück für die Camper in Dranske: Schon fünf Minuten nach dem Hilferuf biegt der gelbe ADAC-Wagen in die Zeltsiedlung ein. „Wahnsinn, wie schnell ihr seid“, lobt der sächsische Kunde. Zehn Minuten später läuft sein Wagen wieder. Oft weiß Stefan Roedszus schon wenn der Anruf kommt, woran es liegen könnte. Fast alles, was er heute in Sachen Auto wisse, habe er auf der Straße und in Gesprächen mit Kollegen gelernt, sagt er. „Regelmäßig lädt auch die Autoindustrie zu Schulungen und Workshops ein, um über technische Neuerungen zu informieren.“ Vor dem Trend zu Elektromobilität, Assistenzsystemen und zunehmender Vernetzung ist ihm nicht bange. „Das Grundprinzip am Fahren bleibt. Letztendlich kochen die alle nur mit Wasser“, meint er.

Nach der Arbeit das Bad in der Ostsee

An diesem Tag wird der „Gelbe Engel vom Campingplatz“ noch gerufen, um ein festgefahrenes Rad auszutauschen und die Tür eines versehentlich verschlossenen Wagens zu öffnen. Und am Golfhotel bei Lohme versorgt er festsitzende Gäste mit einer neuen Batterie. Am späten Abend kehrt Stefan Roedszus zu seinem Wohnwagen zurück. Hinter ihm liegen an diesem Tag elf Einsätze. Und alle Hilfsbedürftigen konnten weiterfahren.

Kommende Woche endet Stefans Insel-Einsatz. Bis dato hat er mehr als 10.000 Kilometer auf Rügen abgespult, 24 Batterien gegen neue getauscht und 314 liegen gebliebenen Autofahrern geholfen. Während abends auf dem Platz die meisten Camper zur Fete übergehen, muss er ins Bett, um am Sonntagmorgen wieder fit zu sein für den nächsten Pannenservice. Nur das allabendliche Bad, das gönnt er sich noch. „Was gibt es Schöneres, als nach so einem Job noch mal in die Ostsee einzutauchen!“