Am Silvestertag standen die Kunden noch Schlange vor dem kleinen Fischladen im Hafen von Lauterbach. Hinter dem Tresen schlachteten die Verkäuferinnen fette Neujahrskarpfen im Akkord, und auch Räucherware und der eigene handgemachte Heringssalat gingen weg wie warme Semmeln.
Mehr lesen: Ostseefischerei stecken in ihrer größten Krise
Vier Tage später ist´s hier vorbei mit der Geschäftigkeit. Im leergeräumten Laden putzt Rotraud Hoge die warenlosen Auslagen. „Das ist alles nur noch unglaublich traurig“, sagt die 66-Jährige, die schon vor ein paar Jahren in den Ruhestand getreten war und heute noch einmal von den Fischern um allerletzte Hilfe gebeten wurde. Mehr als 30 Jahre lang hatte Rotraud Hoge hier an Einheimische und Urlauber Fisch verkauft. Doch zum Jahreswechsel hat der auf ganz Rügen und darüber hinaus beliebte Laden dicht gemacht – für immer.
Die Fischergenossenschaft Insel Vilm Lauterbach, gegründet im Dezember 1959, hat sich aufgelöst und damit auch ihre Vermarktung im betriebseigenen Geschäft aufgegeben. Zuletzt waren nur zwei der noch neun Männer aktiv im Fischfang unterwegs. Ständig gekürzte Fangquoten durch die EU, Fischereiverbote, aber auch die zunehmende Konkurrenz durch Fressfeinde wie den Kormoran und die im Greifswalder Bodden ansässig gewordenen Kegelrobben hatte die beiden verbliebenen Küstenfischer Bernd Peters und Jens Engelbrecht zum Aufgeben gebracht.
Preise zu DDR-Zeiten stabil
Vor der Wende habe man genug Hering aus dem Bodden geholt, erinnert sich Peter Prühsing, Lauterbacher Fischer in fünfter Generation, der mit 59 in Seemannsrente gegangen war. „Manchmal haben wir, wenn wir zurück in den Hafen steuerten, bis zum Bauch im Fisch gestanden.“ Damals habe in fast jeder Eiche am Lauterbacher Damm ein Fischereinetz zum Trocknen gehangen. Die Preise seien zu DDR-Zeiten auch dank der Subventionierung durch den Staat und des Exportes nach Dänemark stabil gewesen. Und wenn man mal etwas gebraucht habe, dann habe man immer noch einen geräucherten Aal in der Hinterhand gehabt.
Doch nach der Wende hätten die Quoten die Besatzungen arg getroffen, sagt Prühsing. Anfangs habe jeder Fischer noch 30 Tonnen Hering pro Jahr fangen dürfen. Heute seien es aber nur noch sechs oder sieben. „Ohne ständige Förderprogramme sei das auf Dauer nicht mehr zu stemmen gewesen, sagt Prühsing, der auf Fischhandel umsattelte und inzwischen mit einem mobilen Fischverkaufskiosk in Bergen und Putbus Räucherware feilbietet.
Räucherware und Frischfisch
Auf den Fischverkauf setzt nun auch verstärkt Fischer Jens Engelbrecht. Während die älteren Kollegen in diesen Tagen das Genossenschaftsgebäude mit dem Fischladen leerräumen, hat er angefangen, seinen Kutter „Jasmund“ umzubauen. Der alte, am Lauterbacher Kai verzurrte Kahn soll voraussichtlich Ende März als Fischverkaufskutter an den Markt gehen und wenigstens einen Teil der Stammkundschaft und fischhungrigen Inselgäste wieder versorgen.
Aller Tristesse zum Trotz, die sich in der Coronazeit und nach der Genossenschaftsauflösung in dem kleinen Boddenort breit gemacht hat, ist Engelbrecht zuversichtlich: „Warum soll das nicht laufen“, hält er Skeptikern entgegen. Er wolle auf seinem Fischkutter nicht nur Räucherware, sondern auch Frischfisch anbieten. „Und auch das Lauterbacher Fischbrötchen wird es wieder geben“, verspricht er. Bis es soweit sei, müsse aber noch einiges an Bord umgebaut werden, damit auch die Behörden grünes Licht für den neuen Fischverkauf im Hafen geben.
Und nach Corona, da waren sich die alten Fischer von Lauterbach zum Abschied einig, soll es noch einmal eine Auflösungsfeier geben.
Kommentare (3)
Tja, sehr traurig!
Der Niedergang der ostdeutschen Küstenfischerei. Trawler werden kommen und den Bedarf via Supermarkt decken. Hauptsache die Fangquoten und der dazugehörige Papierkram werden eingehalten. EU sei Dank.
Mich macht sowas wütend!
Mir konnte noch niemand wirklich niemand schlüssig erklären warum die Fischbestände von so ziemlich allen Arten so stark zurück gegangen sind. Da gibt es Ausreden von wegen nicht genug Wasseraustausch mit der Nordsee oder Überfischung. Beides ist Unfug, Jahre ohne Wasseraustausch hat es früher auch gegeben und wegen Klimawandel sollen ja die Wasserstände gestiegen sein und es mehr Stürme geben. Früher leiteten die Ostsee-Anreinerstaaten über die Flüssen viel Nitrat aus der Landwirtschaft ein, was so gut wie unterbunden ist. Das Wasser ist sauberer geworden denn die früher übliche Entsorgung von Unrat und Ballast von Schiffen wird streng überwacht und ebenso streng bestraft. Als Junge hab ich im Lauterbacher Hafen viel geangelt, meißt gabs ein paar Barsche und ab und zu auch einen Aal heute ist das verboten. Egal, ich kaufe mir keinen Fisch im Supermarkt der aus Afria importiert ist. Lauterbach wird dieser Fischladen fehlen ob der Privatverkauf das ersetzen kann? Es gibt ja schon die Dicke Berta die Fisch und Fischbrötchen verkauft ob sich das dann lohnt? Wie gesagt, als meine Mutter aus Lauterbach mir das erzählte ,war ich richtig wütend aber gegen die EU ist kein Kraut gewachsen.
Trawler mit Schleppnetzen sind der Grund
dafür, dass die Bestände ruiniert sind. Die nötigen Schutzmaßnahmen treffen dann die kleinen Betriebe am härtesten. Eine Riesenschweinerei! Ich hoffe, dass Greenpeace demnächst wieder Steine gegen Schleppnetzfischerei ins Wasser wirft.