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DDR-Fußball

Als Hansas Trainer das Rauchen erlaubte

Rostock / Lesedauer: 7 min

Frank Rillich gehört zu den Fußballern des FC Hansa Rostock, die Geschichte geschrieben haben. Vor 30 Jahren holte er mit dem Club die letzte DDR-Meisterschaft. Mit einem Trainer aus der BRD.
Veröffentlicht:30.05.2021, 05:00

Von:
  • Thomas Krause
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Die Insignien des größten Erfolges in seiner Fußball-Karriere hat Frank Rillich noch. Die zwei Goldmedaillen hängen an einer Wand in seinem Haus in Rostock, das blau-weiße Originaltrikot liegt im Schrank. Es passt sogar noch.

Genauso wie vor 30 Jahren. Am 25. Mai 1991 ging die letzte Saison der DDR-Oberliga zu Ende. Für den FC Hansa Rostock war es gleichzeitig die erfolgreichste in der Geschichte des Clubs. Hansa wurde erstmals Meister und Pokalsieger, sicherte sich damit einen von zwei Plätzen in der Bundesliga. Im letzten Saisonspiel verlor Hansa gegen Lok Leipzig zwar klar mit 1:4, aber das spielte schon keine Rolle mehr. Den Sprung in die Bundesliga hatte der Verein bereits drei Spieltage zuvor klar gemacht – durch einen 3:1-Sieg gegen Dynamo Dresden. Stürmer Florian Weichert, der gegen Leipzig das letzte Oberligator für Hansa schoss, erzählt, dass man danach nur noch im Feiermodus und nicht mehr ganz bei der Sache gewesen sei. Frank Rillich schmunzelt: „Ja, wir haben schon etwas gefeiert.“

Juri Schlünz, Hilmar Weilandt, Henry Fuchs oder Florian Weichert – viele Spieler der Meisterelf von 1990/91 sind heute noch Club-Legenden, werden von den Fans verehrt. Frank Rillich zählt zu den stillen Helden. Rillich ist heute 58 und sagt, dass das schon in Ordnung gewesen sei. An diese letzte Saison der DDR-Oberliga vor 30 Jahren kann er sich aber noch gut erinnern. „Es war nicht meine beste Saison, die ich für Hansa gespielt habe, aber ganz klar die erfolgreichste“, sagt er.

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Training fühlte sich wie Urlaub an

Vieles war neu beim FC Hansa Rostock – es gab jetzt Westgeld, und auch der Cheftrainer kam aus der BRD. Uwe Reinders übernahm den Club und mit ihm änderte sich alles im Leben der Hansa-Fußballer. In der DDR mussten die Spieler morgens um 7 Uhr auf dem Trainingsgelände erscheinen, es gab erst ein gemeinsames Frühstück, dann mehrere Trainingseinheiten. „Feierabend war dann meist zwischen 17 und 18 Uhr, und wir waren oft richtig kaputt“, erzählt Rillich. Unter Reinders wähnten sich die Kicker plötzlich im Urlaub. „Training war ein-, zweimal am Tag und dabei das Mannschaftstraining wichtig. Für seine Fitness war im Großen und Ganzen jeder selbst verantwortlich. Das war wie Urlaub“, erinnert sich Rillich und lacht: „Man hatte plötzlich Zeit, auch mal am Tag irgendetwas anderes zu machen, Kaffee trinken gehen oder so was.“

Im ersten Oberligaspiel unter dem ehemaligen Bundesligaprofi Reinders holperte es noch ein wenig bei den Hanseaten: Gegen Stahl Eisenhüttenstadt mühte sich Rostock am 11. August 1990 im eigenen Stadion zu einem 1:1. Vor 7200 Zuschauern rettete Florian Weichert dem FC Hansa in der 81. Minute noch das Remis. Dann folgten drei Siege gegen Carl Zeiss, Stahl Brandenburg und den FC Berlin – nach vier Spieltagen stand die Reinders-Elf auf Platz eins.

„Auf einmal lief es. Wir konnten uns dann sogar vorzeitig absetzen. Der Traum von der Bundesliga wurde immer klarer“, sagt Frank Rillich. Zur Halbserie hatte die Kogge vier Punkte Vorsprung auf Dynamo Dresden. Die Bundesliga, von der die wenigsten Spieler gewagt hatten zu träumen, kam nun immer näher.

Bei der LSG Elmenhorst begann die Karriere

Als kleiner Junge hatte Frank Rillich bei der LSG Elmenhorst mit dem Kicken begonnen und davon geträumt, einmal das Hansa-Trikot tragen zu können. 1973 holte ihn der Club, übrigens gemeinsam mit einem gewissen Gernot Alms. Bei Hansa wurde Rillich zum DDR-Juniorennationalspieler, schaffte schließlich 1981 den Sprung in die Rostocker Oberligaelf. Zehn Jahre später stand Frank Rillich vor dem größten Erfolg seiner Karriere.

Hansas Vorteil in der historischen Saison: Anders als Spitzenclubs wie Berlin oder Dresden hatten die Rostocker keine Leistungsträger an Bundesligaclubs verloren. „Im Kern waren wir alles Rostocker Jungs, der Zusammenhalt war groß“, erzählt Frank Rillich. Auch sein bester Kumpel Alms war noch dabei. Und die wurden von einem Westtrainer geführt, einer der wenigen Trainer, der nach der Wende in den Osten gegangen war.

„Uwe Reinders war ein super Mensch, der immer ehrlich zu dir war, uns oft in Schutz genommen hat“, erzählt Rillich. Als Trainer wollte er aber immer sehen, dass die Spieler einhundert Prozent geben. „In der Kabine hat er vor Spielen oft gesagt: Es gibt Spiele, die man verlieren kann, aber nicht dieses“, erzählt der ehemalige Hansa-Profi. Mit dieser Einstellung sei man dann auf den Platz gegangen. Uwe Reinders sei aber auch Kumpel gewesen. „Wir hatten mal ein Trainingslager in der Nähe von Bremen, wo er ja gewohnt hat. Dort hatte er uns eines Abends eingeladen in seinen Partykeller und hat dann gesagt: So, Jungs, wir sind hier unter uns, wer will, kann eine rauchen“, erinnert sich Frank Rillich und fängt an zu lachen: „Als sich dann aber plötzlich fast die ganze Mannschaft eine Zigarette anzündete, bekam Reinders ganz große Augen. Das hatte er nicht erwartet.“ Bei vielen Spielern ist Reinders heute noch beliebt, auch, weil er immer gut über den Osten gesprochen hat.

Rillich selbst verlor in der Rückrunde seinen Stammplatz in der Abwehr. Hansa hatte in der Winterpause den schnellen Mike Werner von Motor Eberswalde verpflichtet, der Ur-Rostocker Rillich war plötzlich draußen. „Das hatte auch mit der Spielphilosophie zu tun, die sich änderte. Ich war ein reiner Manndecker“, sagt Rillich. Stunk zu machen, kam ihm nicht in den Sinn: „Wenn man so will, war ich ein Opfer des Systems.“ Seine Einsätze bekam der Abwehrspieler aber weiterhin, beim entscheidenden 3:1-Sieg am 23. Spieltag gegen Dynamo Dresden, mit dem Hansa die Meisterschaft perfekt machte, stand Rillich gut 40 Minuten auf dem Rasen, eingewechselt für Mike Werner.

Das Pokalfinale gegen Stahl war das letzte Spiel

Das FDGB-Pokalfinale am 2. Juni 1991 gegen Stahl Eisenhüttenstadt, mit dem das Kapitel DDR-Fußball endgültig zu Ende ging, war auch Rillichs letztes Spiel für den FC Hansa Rostock. In Berlin gewann Hansa durch ein Tor von Jens Wahl mit 1:0.

In der ersten Bundesligasaison des FC Hansa Rostock gehörte der Abwehrspieler zwar zum Kader, zum Einsatz kam er aber nur noch in der Reserveelf. 1992 beendete Frank Rillich schließlich seine Profikarriere. „Für mich kam die Wende zehn Jahre zu spät“, sagt Rillich, der anschließend noch bei Amateurklubs wie dem FSV Bentwisch spielte. Auch beruflich orientierte sich der Fußballer völlig neu. Er schulte zum Maurer um, ein Beruf, in dem er heute noch tätig ist.

Mit seiner Frau Heike, die er mit 20 kennen und lieben lernte, hat er sich in Rostock-Krummendorf eine alte Scheune zu einem schicken Haus umgebaut. Rillichs sind glücklich. Auf die Jahre beim FC Hansa, für den er sieben Spielzeiten kickte und für den er vier Tore schoss, blickt er mit Stolz zurück: „Ich bin dankbar, dass ich das alles erleben durfte.“ Frank Rillich freut sich, dass der Club den Aufstieg in die 2. Bundesliga geschafft hat. Er hat in dieser Saison kräftig mitgefiebert. Ehrensache. Hansa ist für immer in seinem Herzen.