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Eiskunstlauf-Trainerin gestorben

Das Leben von Jutta Müller war Glanz und Glimmer

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Jutta Müller stand auf den Sportbühnen dieser Welt. Sie war die DDR-Startrainerin des Eiskunstlaufs und coachte unter anderem Katarina Witt zur olympischen Goldmedaille. 
Veröffentlicht:02.11.2023, 14:12

Von:
  • Nordkurier
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Dieser Text erschien im Dezember 2022 zum 94. Geburtstag von Jutta Müller im Nordkurier.

Das Leben von Eiskunstlauf-Trainerin Jutta Müller war Glanz und Glimmer. Sie gehörte mehr als 30 Jahre zu den Grande Damen des Eiskunstlaufs, führte Eislaufstars wie Katarina Witt, Annett Pötzsch, Gabriele Seyfert und Jan Hoffmann zu Olympiasiegen und Weltmeister-Titeln.

Das ist lange her, und es ist ruhig geworden um Jutta Müller. Die einstige Power-Frau lebt seit diesem Sommer in einem Pflegeheim in Bernau bei Berlin. Zurückgezogen von der Öffentlichkeit. Ihren 94. Geburtstag feierte sie in einem ganz kleinen Kreis – nur mit Tochter Gabriele Seyfert (74) und Enkelin Sheila (48). „Ich habe meine Mutter in unsere Nähe geholt, jetzt können mein Mann Egbert und ich sie öfter besuchen“, erklärt die zweimalige Weltmeisterin den Umzug ihrer Mutter von Chemnitz nach Brandenburg.

Jutta Müller (l.) und Katarina Witt bei den Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo. (Foto: dpa)

Sie lebte lange in ihrer Heimatstadt

Ihre Heimatstadt Chemnitz mit der Wohnung in der Parkstraße, in der Jutta Müller mit ihrem Ehemann, dem einstigen DDR-Fußball-Nationalspieler Bringfried „Binges“ Müller bis zu dessen Tod über 50 Jahre gelebt hatte, verließ sie nur schweren Herzens. „Die vielen Pokale, Medaillen und Urkunden und Alben meiner Mutter bewahre ich im Moment bei mir auf. Ich bin aber mit dem Chemnitzern im Gespräch, dass ich die wertvollen Stücke zur Einrichtung eines Museums zur Verfügung stelle“, erzählt Gaby Seyfert.

Der Oberschiedsrichter aus Prag spielte auch mit

Jutta Müller würde das wohl gefallen. Sie ist weit und breit immer noch die erfolgreichste deutsche Eiskunstlauf-Trainerin aller Zeiten, und wie es aussieht, wird sich daran so schnell nichts ändern. Jutta Müller hat viel erlebt in all den Jahren, Geschichten, die auch Gabriele Seyfert kennt. Wie die Episode von der Weltmeisterschaft 1967 in Wien.

Die Pflichtfiguren bildeten die Grundlage für spätere Erfolge auf dem Eis. Diese Pflicht wurde damals in der Donau-Halle, weit ab vom Zentrum der Stadt, ausgetragen. Früh um sieben Uhr musste die erste Läuferin aufs Eis. Das Los hatte Gaby Seyfert getroffen. Als sie die Schlittschuhe anziehen wollte, wich ihr das Blut aus dem Gesicht. Mutter und Trainerin Jutta Müller hatte in der morgendlichen Eile versehentlich die Kürschlittschuhe eingepackt. „Wie ein Blitz fegte sie dann durch die Halle, sprang in ein Shuttle und raste zum Hotel zurück“, erzählt ihre Tochter. Unerbittlich rückte der Zeiger in Richtung 7 Uhr.

Wenn Gaby Seyfert nicht pünktlich auf dem Eis erschienen wäre, wäre ein Jahr lang der Schweiß vergeblich geflossen. Gegen die Härte des Reglements stand jedoch die Gutmütigkeit des Prager Oberschiedsrichters Josef Dedic. Er ließ das Eis von einer Eismaschine so lange präparieren, bis Jutta Müller mit den richtigen Schlittschuhen eingetroffen war.

Der Lohn folgte: Gabriele Seyfert stürmte zu ihrer zweiten WM-Silbermedaille. Insgesamt brachten es Jutta Müllers Schützlinge auf 49 Medaillen bei Olympischen Winterspielen, Welt- und Europameisterschaften.

Die erste Medaille feierte die Startrainerin aus Chemnitz mit Tochter Gaby 1966 bei den Europameisterschaften in Bratislava. Als letzte ihrer Schülerinnen stand 1990 bei den Europameisterschaften im heutigen St. Petersburg Evelyn Großmann (heute Klaudt) auf der höchsten Stufe des Siegerpodests. Eine Traumkür erlebte Jutta Müller mit Katarina Witt vor angeblich einer Milliarde TV-Zuschauern mit „Carmen“ bei den Olympischen Winterspielen 1988 in Calgary. Die Grundlage für ihre Beliebtheit in den USA hatte Katarina Witt allerdings schon ein Jahr vorher gelegt.

Jutta Müller war selbst Ostzonenmeisterin

Die besten Eisprinzessinnen der Welt hatten bei der WM in Cincinnati (Ohio) 15.000 Besuchern und Millionen TV-Zuschauern Eiskunstlauf vom Feinsten geboten. Als Dank veranstaltete die Stadt ein Lichterfest. Der Beifall und das Licht galten vor 35 Jahren besonders Katarina Witt und ihrer Trainerin Jutta Müller. Katarina Witt war auf dem Eis als Maria aus der West-Side-Story gelaufen. Der Auftritt war ganz nach dem Geschmack des amerikanischen Publikums. Witt würzte ihren Vortrag mit den dreifach gedrehten Sprüngen Salchow, Toeloop und Rittberger. Die Ostdeutsche sprang und tanzte wie im Rausch. Die Schlusspirouette ging bereits in einem Jubelsturm unter. Debi Thomas, die vor ihrem US-Publikum als Favoritin angetreten war, sagte später: „Was ist das für ein Wundermädchen? Das macht mich auf meine Silbermedaille doppelt stolz.“

Jutta Müller war selbst eine erfolgreiche Eiskunstläuferin: Mit Irene Salzmann, der später erfolgreichen Paarlauftrainerin ‐ sie führte 1982 Sabine Baeß und Tassilo Thierbach zu Weltmeister-Gold ‐ tanzte Jutta Müller im Februar 1949, damals noch unter dem Namen Seyfert, zum „Ostzonen-Meistertitel“ im Damen-Paarlauf. Was ihr bleibt, sind die Erinnerungen an eine schöne Zeit.