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Titelkampf in der Bundesliga

Frusttage für Bayern–Trainer Thomas Tuchel

München / Lesedauer: 5 min

Das hat sich Thomas Tuchel bei seinem Amtsantritt ganz anders vorgestellt. In nur zwei Monaten unter seiner Führung verspielen die Bayern–Stars Titel um Titel. Ein Blick zurück könnte Mut machen.
Veröffentlicht:25.05.2023, 13:33

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Thomas Tuchel lächelte in frustrierenden Bayern–Tagen sogar ein bisschen, als es um den Beginn in seine heikle Münchner Mission ging. Denn ein Amtseintritt im Sommer wäre für den 49–Jährigen freilich einfacher gewesen als der schwierige Null–auf–Hundert–Start mitten in der heißen Saisonphase.

„Es ist nicht immer ein Wunschkonzert. Mal gehen die Türen auf, wenn sie aufgehen“, sagte Tuchel, der in seiner erst kurzen Zeit als Trainer des deutschen Fußball–Rekordmeisters auch für ihn selbst nie erwartete Rückschläge hinnehmen musste. Er droht, als der Trainer in die Geschichte des FC Bayern München einzugehen, unter dem in gerade einmal zwei Monaten drei Titel verspielt wurden.

Titel–Nullnummer droht

Flankiert von Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic präsentierte sich Tuchel vor zwei Monaten entspannt und voller Zuversicht, als er nach dem großen Trainer–Knall beim Serienmeister als Nachfolger von Julian Nagelsmann präsentiert wurde. Drei Titel waren da noch möglich, jetzt ist maximal noch die Meisterschaft drin. Aber auch die nur, wenn Borussia Dortmund beim Vorglühen auf die Party mit der Schale vor Hunderttausenden in Schwarz und Gelb sensationell gegen den FSV Mainz 05 patzt. „Natürlich trifft es uns hart, wenn es so kommt“, sagte Tuchel über die Titel–Nullnummer.

Nach „extrem bescheidenen Tagen“ versuchte Tuchel seine Stars auf die Mini–Meisterchance im Spiel beim 1. FC Köln einzustimmen. Im Training wurde gelacht, zumindest nach außen sollte Titel–Hoffnung ausgestrahlt werden. „Die Saison ist noch nicht beendet. Schauen wir mal nach dem letzten Spieltag“, sagte er und duckte sich nicht weg. „Wir wollten das auf jeden Fall anders haben, ich stehe in der Verantwortung dafür.“

Schon vor der standardmäßigen 100–Tage–Bilanz kann Tuchel auf ein erstaunliches Auf und Ab mit seinem neuen Ensemble zurückblicken, musste sogar schon einen handfesten Kabinen–Clinch zwischen Sadio Mané und Leroy Sané moderieren. Zwischenzeitlich war er „schockverliebt“ in seine Mannschaft, ein anderes Mal vermisste er den richtigen „Spirit“. Und nach dem wohl entscheidenden Meister–Rückschlag beim 1:3 gegen RB Leipzig „komplett ohne Ankündigung“ war der 49–Jährige sauer wie nie in der kurzen Amtszeit. „Es kommt auf die kleinen Sachen an. Gar nicht so sehr, dass wir herumschreien und in Schrankwände beißen oder Zähne zeigen“, mahnte Tuchel im ZDF zur Detailarbeit.

Tuchels Vertrag läuft bis Sommer 2025

Elf Spiele coachte Tuchel den FC Bayern — fünf Siege, zwei Remis und vier Niederlagen sind dabei alles andere als bayern–like. „Die DNA des Clubs ist eine Verpflichtung. Sie ist ganz klar definiert. Es geht ums Gewinnen, es geht auch um die Art des Gewinnens. Man kann mit diesem Kader um jeden Titel spielen“, legte der mit einem Vertrag bis Sommer 2025 ausgestattete Tuchel die Latte bei seiner Verpflichtung selbst hoch.

Kahn und Salihamidzic grinsten damals zufrieden — jetzt müssen sie wiederholte Enttäuschungen erklären. Dazu versuchen sie, den von ihnen zu einem riskanten Zeitpunkt verpflichteten neuen Trainer trotz der vielen Stimmungsdämpfer zu stärken. Dennoch geht dieser nach drei verspielten Titeln seiner Stars mit einer großen Hypothek in die Vorbereitung auf die neue Saison, seine erste richtige in München.

Tuchel erarbeitete sich sowohl in Mainz und Dortmund als auch in Paris und beim FC Chelsea den Ruf, während des Spiels durch Umstellungen und Wechsel großen Einfluss nehmen zu können. Beim FC Bayern glückte das bislang nicht. Zudem musste der Trainer das von ihm selbst aufgemachte „Thomas–Müller–Spiele“-Thema moderieren. Besonders zuletzt beim 1:3 gegen Leipzig stand Tuchel genervt an der Seitenlinie, haderte gestenreich wegen des Auftritts seines Teams, den er sich einfach nicht erklären konnte. Dass die Spieler ihren Coach im Stich gelassen hatten, verneinte Salihamidzic. „Das würde ich nicht sagen“, sagte der 46–Jährige. „Thomas und sein Team“ hätten „sensationelle“ Trainingsarbeit geleistet.

Viel Arbeit im Sommer

Eine Trophäe bringt das zumindest in dieser Saison aber vermutlich nicht. Dabei hatte Tuchel zum Start selbst auf diese Verpflichtung hingewiesen. „Wenn du bei Bayern unterschreibst, geht es darum, um alle Titel mitzuspielen“, sagte Tuchel. Der Champions–League–Sieger und Club–Weltmeister von 2021 wies nach dem jüngsten Leipzig–Schreck aber auch auf die rasche Vergänglichkeit solcher Meriten hin. „Für uns im Trainerteam war es dramatisch zu erkennen, wie wenig sich verändert. Du freust dich und bist erleichtert, aber dann versuchst du, die neue Saison zu planen, das erste Training auf höchstem Level zu machen.“

Damit gab Tuchel nach arbeitsreichen Anfangstagen à la „work, eat, sleep, repeat“ den Weg für die neue Saison vor. Er will die Sommer–Vorbereitung nutzen, um das von Nagelsmann übernommene Team auf seine Bedürfnisse anzupassen. Personelle Wünsche hinterlegt er bei den Chefs. Ein Mittelfeldabräumer und ein Stürmer sollen wohl kommen.

Tuchel darf darauf hoffen, dass ein mutmaßliches Frust–Triple im Verein eine ähnliche Reaktion auslöst, wie es die drei zweiten Plätze 2012 taten. Trainer Jupp Heynckes formte damals aus niedergeschlagenen Stars eine Einheit, die sich ein Jahr später als Triple–Sieger feierte. Ehrenpräsident Uli Hoeneß wird jedenfalls alles in die Wege leiten, was seiner Meinung nach für neue Erfolge unter Tuchel nötig ist. „Ich wollte Uli Hoeneß wissen lassen, dass ich mein Bestes gebe, um gut auf seinen Club aufzupassen“, sagte Tuchel kurz nach seiner Verpflichtung. An diesem Versprechen wird er sich messen lassen müssen.