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Sportgrößen der Region begeistern Kids

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Das Projekt „Morgenlesen“ gibt es in Neubrandenburg schon seit 2015. Jetzt lasen Sportler aus der Stadt an einer Grundschule in der Oststadt.
Veröffentlicht:19.11.2023, 20:43

Von:
  • Peter Krüger
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Als die Schulklingel das erste Mal schrillte, bildete sich ruckzuck eine Traube um den Herrn mit der Brille. Jeder wollte ein Autogramm von diesem Mann, der wenige Sekunden zuvor noch gut gelaunt aus einem Kinderbuch vorgelesen hatte.

Jovanovic in der Rolle des Vorlesers

Erst das zweite Schulklingeln und die damit verbundene Aufforderung, endlich mit der ersten Unterrichtsstunde des Tages loszulegen, „befreite“ ihn von seinen neuen Fans. Er habe es genossen, es hätte Spaß gemacht und er würde es immer wieder tun.

Der frühere Fußballprofi Velimir Jovanovic fühlte sich in seiner Rolle als Stargast, vor allem aber in der Rolle als Vorleser pudelwohl. Der 36-Jährige, der vor wenigen Monaten seine sportliche Laufbahn beendete, war Teil der Reihe „Morgenlesen“, die sich nunmehr schon seit 2015 an der Neubrandenburger Grundschule „Hans Christian Andersen“ großer Beliebtheit erfreut.

Migrationsanteil von knapp 50 Prozent

Jedes Jahr im November schnappen sich Persönlichkeiten aus verschiedensten Bereichen ein Buch und lesen den Grundschülern Mittwochmorgen von 7.25 bis 7.45 Uhr aus diesem vor ‐ inklusive einer anschließenden kleinen Fragerunde. „Lesen ist der Schlüssel zur Bildung“, so Thomas Evers von der RAA (Demokratie und Bildung in MV), dem „Erfinder“ des Morgenlesens.

So will er den kleinen Schülern das Lesen nahe bringen, denn er weiß um die immer größer werdenden Probleme im heutigen Schulalltag, gerade beim Thema richtig lesen können. Da spielen natürlich viele Faktoren eine Rolle. „Wir haben einen Migrationsanteil von knapp 50 Prozent an unserer Schule“, nennt David Lex einen ganz wichtigen Grund.

Lex ist Schulsozialarbeiter (AWO) an der Andersen-Schule – ein ungemein wichtiger Job heutzutage in Schulen – und hat sich in diesem Jahr dafür eingesetzt, dass die Vorleser allesamt aus dem sportlichen Bereich kommen. Ihm war klar, „das kommt bei den Kindern an, das werden sie mögen“.

Denn immerhin merkt der Sozialarbeiter, „dass der Sport verbindet“ und jenes ist ja nicht unwichtig, wenn so einige Nationalitäten nicht nur an der Schulbank nebeneinander hocken. Er sollte recht behalten.

Die erste Lesung fand mit einer Handballerin statt

Schon die erste Morgenlesung mit Madlen Kloska, Kapitänin des Handball-Drittligisten SV Fortuna 50 Neubrandenburg, war ein voller Erfolg. Nummer zwei war nun Fußballer Velimir Jovanovic, der in Malchin zuhause ist und als Fußballer unter anderem bei der TSG Neustrelitz, dem Greifswalder FC, dem 1. FC Neubrandenburg 04, Energie Cottbus, Carl Zeiss Jena, dem 1. FC Magdeburg oder bei Rot-Weiß Erfurt seine Spuren hinterließ.

Apropos „Hinterlasse Spuren“ – genau so würde Jovanovic das Buch über sein Leben betiteln, wenn es eines über ihn geben würde. Diesen Ratschlag gab der frühere Torjäger auch den Kindern, die an seinen Lippen hingen, spätestens, als bei seiner Vorstellung ein kurzes Video eingespielt wurde, das Jovanovic beim DFB-Pokalspiel gegen den Hamburger SV zeigte.

Damals erzielte „Jova“ für Carl Zeiss Jena beim 3:2-Überraschungserfolg das zwischenzeitliche 2:1. Mit solchen Bildern fängt man die Kinder ein, ist sich David Lex sicher. Und tatsächlich, als Jovanovic aus dem Buch „Denk dir die Welt“ vorlas, war es mucksmäuschenstill in der Grundschul-Aula. Knapp 60 Schüler aus den Klassen 1 bis 4 lauschten den Zeilen vom früheren Fußballer, der auch immer mal wieder Anekdoten aus seinem Privatleben einbaute.

Der Schulsozialarbeiter war begeistert

So erzählte Jovanovic, der im Moment eine Ausbildung zum Erzieher absolviert, von einem Besuch eines Pariser Museums einige Tage zuvor. Dort waren Bilder des weltberühmten Malers Pablo Picasso zu sehen, erzählte der Vorleser beeindruckt und berichtete den Kindern davon, dass der frühere Künstler mit diesen Gemälden riesige Spuren hinterlassen hat.

„Das könnt ihr auch“, sagte er den Kindern und meinte damit ganz sicher nicht, dass nun ein jeder der Lütten ein neuer Picasso werden sollte, nein, „jeder kann auf seine Art und Weise Spuren hinterlassen, egal wie groß oder wie klein sie auch sein mögen“.

Schulsozialarbeiter David Lex war begeistert. „Genau so haben wir es uns gewünscht. Unsere Idee mit den Sportlern ist voll aufgegangen, die Kids sind voll dabei.“ Nach Handballerin Madlen Kloska und Fußballer Velimir Jovanovic wird am Mittwoch mit Diskuswerferin Claudine Vita die dritte Lesung mit einer Sportgröße aus der Region stattfinden. Die Weltmeisterschafts-Fünfte und Europameisterschafts-Dritte vom SC Neubrandenburg wird den Kindern kurz vor ihrer Abreise ins Trainingslager nach Südafrika vorlesen.

„Gerade die Lebensgeschichten von Velimir Jovanovic und Claudine Vita, die beide mit ihrer Flucht nach Deutschland schon einiges erlebt haben, können unseren Kindern zeigen, dass man auch mit einem schwierigen Start viel erreichen kann“, so David Lex, der auch darauf hinweist, dass die Schule händeringend nach Lesepaten sucht.

Wer also Lust dazu hat, einmal pro Woche einer kleinen Gruppe das Lesen näherzubringen, kann sich gerne bei der Pädagogischen Werkstatt des "km2 Bildung NB", Juri Gagarin Ring 29, Telefon: 0171‐5590153 oder E-Mail an [email protected] melden.

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