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Eishockey–WM–Finale

Tränen der Enttäuschung: Eishockey–Team verpasst WM–Titel

Tampere / Lesedauer: 5 min

Bis ins Schlussdrittel war das Finale offen, am Ende war Rekord–Weltmeister Kanada zu stark. Mit Silber ist das erste Turnier unter Eishockey–Bundestrainer Harold Kreis aber ein Riesenerfolg.
Veröffentlicht:28.05.2023, 21:38

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John–Jason Peterka weinte nach dem verpassten WM–Gold bittere Tränen der Enttäuschung, der abgezockte Rekord–Weltmeister jubelte befreit. Kanadas NHL–Stars wirkten schlagbar, doch Deutschlands Eishockey–Cracks verloren in Tampere das erste WM–Finale seit 1930 gegen Kanada erst am Ende deutlich mit 2:5 (1:1, 1:1, 0:3).

Als Vize–Weltmeister schaffte die Auswahl von Bundestrainer Harold Kreis aber einen weiteren Eishockey–Meilenstein und spielte sich nach Olympia–Silber 2018 und dem WM–Halbfinale 2021  einmal mehr in die Herzen der Fans.

„Im ersten Moment überwiegt natürlich die Enttäuschung. Wir hatten eine große Gelegenheit hier“ sagte Kapitän Moritz Müller bei Sport1, nachdem der frühere DEB–Präsident Franz Reindl den deutschen Spielern bei der Siegerehrung die Silbermedaille umgehängt hatte. Angesichts des immensen Erfolgs stellte der Kölner Verteidiger aber klar: „Ich denke, wir haben Unglaubliches erreicht.“

Wille, Leidenschaft und Tore von NHL–Stürmer Peterka (8. Minute) und Daniel Fischbuch (34.) reichten am Ende nicht zum ersten WM–Titel. Das Team von Kreis war im Finale lange spielerisch besser, reist am frühen Pfingstmontag aber immerhin mit Silber als erster WM–Medaille seit 70 Jahren heim, weil Kanada am Ende kompromissloser war. „Natürlich bin ich sehr, sehr stolz auf die Mannschaft. Wir haben was gewonnen und nicht was verloren“, sagte ein berührter Kreis. Via Instagram schickte auch sein Vorgänger Toni Söderholm sofort seine Glückwünsche zum Vize–WM–Titel.

„Die Kanadier haben unsere kleinen Fehler eiskalt ausgenutzt. Aber das sollte nicht unsere Leistung schmälern. Wir haben ein Wahnsinnsturnier gespielt“, meinte Torhüter Mathias Niederberger, räumte aber auch ein: „Der Schmerz sitzt tief. Es war einfach mehr drin.» 

Erste WM–Medaille seit 70 Jahren

1953 hatte es zuletzt ebenfalls Silber gegeben, damals hatten indes nur vier Nationen eine Gruppenphase ausgespielt. Kanadas NHL–Stars sicherten sich mit dem Erfolg gegen die Auswahl des Deutschen Eishockey–Bundes bereits zum 28. Mal den WM–Titel und sind damit nun wieder alleiniger Rekordchampion vor den aktuell ausgeschlossen Russen. Für das deutsche Eishockey ist Platz zwei bei der WM der größte Erfolg nach Olympia–Silber 2018. 

Bundestrainer Kreis als Nachfolger von Söderholm krönte damit seine Premiere als Chefcoach. Der 64 Jahre alte gebürtige Kanadier war schon 2010 beim damaligen Halbfinaleinzug Deutschlands als Co–Trainer von Uwe Krupp dabei gewesen. Obwohl ihm 15 Leistungsträger verletzt und unter anderem auch die Top–NHL–Spieler Leon Draisaitl, Tim Stützle und Philipp Grubauer abgesagt hatten, formte der Trainer–Routinier eine verschworene Einheit, die kämpferisch, aber auch spielerisch überzeugte.

Nur Lob für den Coach

„Jeder spielt sehr, sehr gerne für den Harry. Er ist einfach ein toller Mensch mit einer tollen Ausstrahlung und einem tollem Charakter“, lobte Frederik Tiffels vom deutschen Meister EHC Red Bull München, der Deutschland am Samstag beim famosen 4:3 nach Verlängerung gegen die USA mit seinem Tor in der Overtime ins Finale geschossen hatten. 

Schon damit waren die Zielvorgaben des DEB — Viertelfinaleinzug und direkte Olympia–Qualifikation für Mailand 2026 — übererfüllt. Mit dem Siegeszug zuvor in Finnland und Lettland begeisterte die DEB–Auswahl auch die Öffentlichkeit in der Heimat. Unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatten dem deutschen Team vor dem Finale ihre Glückwünsche übermittelt. „Ich drücke fest die Daumen, dass Ihr auch heute das Eis in #Tampere  zum Beben bringt und den Titel  holt“, hatte Baerbock wenige Stunden vor dem Spiel getwittert.

Zum ganz großen Wurf reichte es indes nicht. Dabei legte das deutsche Team einen beherzten Start hin, tat mehr für das Spiel als die passiven Kanadier und ging nach einem schönen Schuss vom deutschen WM–Topscorer Peterka auf Traumpass von Moritz Seider in Führung. Mit Glück glich der große Favorit aus. Beim Ausgleich durch Samuel Blais (11.) sorgte ein abgefälschter Puck dafür, dass die Aktion überhaupt gefährlich wurde. 

Die Kanadier wirkten schlagbar, das deutsche Team wurde besser und ging erneut durch den Düsseldorfer Fischbuch verdient in Führung. Auch diese Führung hielt nicht, weil die Schiedsrichter vor dem erneuten Ausgleich durch Lawson Crouse (38./Arizona) ein klares Foul Kanadas nicht ahndeten. Ein unglückliches weiteres Gegentor nach eigenem Abwehrfehler durch Blais (45.) ebnete dem Favoriten nun den Weg zum Erfolg. Tyler Toffoli (52.) von den Calgary Flames sorgte für die Entscheidung. Scott Laughton von den Philadelphia Flyers erzielte noch den Endstand ins verwaiste Tor (59.).

2027 wartet die Heim–WM

Im Kreis der Top–Nationen scheint sich Deutschland dennoch fest gespielt zu haben. „Wir haben tolles Eishockey gespielt über das ganze Turnier. Wir haben gezeigt, dass wir gegen die Großen nicht nur mitkämpfen, sondern auch mitspielen können“, sagte Kapitän Moritz Müller bei MagentaSport. Das ehrgeizige Ziel von Ex–DEB–Präsident Franz Reindl, bis 2026 regelmäßig um Medaillen bei großen Turnieren mitspielen zu können, erfüllte sich früher als gedacht und erhofft. „Seit 2018 ist jeder dieses ganz große Niveau von den Deutschen gewohnt“, sagte Weltverbandspräsident Luc Tardif am Finalwochenende in Tampere. 

Wie immer nach einem unerwartetem Erfolg wie jetzt stellt sich nun die Frage, wie nachhaltig das deutsche Eishockey den Schwung nutzen kann. Der Zuschlag für die Heim–WM 2027 am vergangenen Freitag könnte dabei helfen, wenn der DEB schnell Konzepte für die Jugend und ein Bewusstsein in der Gesellschaft schafft. „Ich glaube, dass wir immer etwas entfachen können“, sagte Kapitän Müller, der bereits 2018 Olympia–Silber gewonnen hatte, zu den Erfolgen des Nationalteams.