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Babysitterin Molly Seidel schreibt Marathon-Märchen

Atlanta / Lesedauer: 3 min

Beim US-amerikanischen Ausscheidungsrennen für die Olympischen Spiele im Sommer in Tokio schauten die Favoritinnen einer Außenseiterin hinterher.
Veröffentlicht:06.03.2020, 14:35

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Geschichten wie die von Molly Seidel sind diese Geschichten, die nur der Sport schreibt – und wohl nur der Sport. Die 25-Jährige aus Boston arbeitet als Babysitterin und in einem Café, um über die Runden zu kommen, dann läuft sie in Atlanta ihren ersten Marathon und startet nun für die USA bei den Olympischen Spielen im Sommer in Japan.

Bei den US-Trials, dem alles entscheidenden Ausscheidungsrennen für Tokio 2020, lief sie in 2:27,31 Stunden auf Platz zwei und löste damit das Ticket für Olympia – eine Riesensensation im US-Sport. Molly Seidel ließ dabei Top-Läuferinnen wie Jordan Hasay, Sara Hall, Molly Huddle, Emily Sisson und Des Linden hinter sich.

Molly Seidel erkrankte schwer

Die Beschreibung „Außenseiter” wird ihrer Geschichte nicht gerecht, schrieb die New York Times. „Ich hatte auf ein gutes Rennen gehofft und keine großen Erwartungen. Schließlich war es mein erster Marathon, und ich wusste, wie stark das Feld war”, sagte sie der New York Times. Doch der Kurs in Atlanta und die Bedingungen spielten der 25-Jährigen in die Karten. „Die hügelige Strecke, der Wind und die Kälte waren für mich von Vorteil”, sagte sie dem Blatt. Während des Rennens merkte Seidel, dass sie sich gut fühlte. Nach etwas mehr als 30 Kilometern starteten mit Aliphine Tuliamuk und Sally Kipyego zwei Mit-Favoritinnen einen Ausreißversuch, Seidel ging mit: „Ich wusste, entweder qualifiziere ich mich für die Olympischen Spiele oder ich gehe mit wehenden Fahnen unter.” Sie triumphierte.

Die aus Kenia stammende Tuliamuk siegte am Ende in 2:27,23 Stunden, Kipyego wurde Dritte (2:28,52). Das Trio wird die USA nun beim Olympischen Marathon vertreten. Dass Molly Seidel laufen kann, war in den USA bekannt. Sie galt als eine der talentiertesten Langstreckenläuferinnen, doch dann wurde sie krank. Die Läuferin zog sich einen Ermüdungsbruch zu, litt unter Depressionen und erkrankte an Bulimie. Der Sportzeitung Runners World erzählte sie einmal in einem Interview, dass eine Teamkollegin damals zu ihr gesagt habe, sie sehe aus, als würde sie sterben. „Du brauchst Hilfe.” Molly Seidel hörte auf den Rat, nahm sich Hilfe und ließ sich in eine Klinik einweisen. An ihre früheren Leistungen konnte sie aber zunächst nicht mehr anknüpfen, verletzte sich sogar erneut, auch weil ihre Knochen durch die Mangelernährung brüchig geworden waren.

Beim Halbmarathon qualifizierte sie sich

Die junge Frau machte einen Cut in ihrem Leben. Sie zog nach Boston zu ihrer Schwester, jobbte in einem Café und als Babysitterin. Ihr Lauftraining absolvierte sie vor und nach der Arbeit – Molly Seidel war zufrieden. In einem Halbmarathon-Rennen im Dezember qualifizierte sie sich aber überraschend für die Marathon-Trials und nutzte die Chance. Nun läuft sie am 8. August in Sapporo den Olympischen Marathon.

„Die Dinge könnten sich ein wenig ändern, wenn ich zurück nach Boston komme”, hatte sie nach dem Lauf der New York Times erzählt. Zuerst einmal wird sich ihr Kontostand verändern. Für ihren zweiten Platz bei den US-Trials erhielt Molly Seidel 65 000 Dollar.