StartseiteSportDas amateurhafte Berufsverständnis der Nationalmannschaft

Kommentar

Das amateurhafte Berufsverständnis der Nationalmannschaft

München / Lesedauer: 2 min

Die DFB-Elf, die in Russland krachend scheiterte, hat offenbar ganz andere Qualitäten – abseits des Rasens. Unser Autor fühlt sich an den seinerzeit zum Schlucksee umgetauften Schluchsee erinnert.
Veröffentlicht:06.09.2018, 06:28

Artikel teilen:

Dass es den deutschen Kickern bei der „Mission Titelverteidigung” an Qualität auf dem Platz mangelte, war in den drei Vorrundenspielen und dem daraus resultierendem jämmerlichen WM-Aus schnell zu sehen. Dass die Jungmillionäre allerdings ein amateurhaftes Berufsverständnis sowohl im Turnier selbst als auch im Vorbereitungslager auslebten, dürfte in diesem Ausmaß überraschen – besser gesagt: entsetzen!

Mitternächtliche Ausflüge an die Hotelbar, anschließendes Verpennen des Frühstücks, Schwänzen von Mahlzeiten sowie Internetsurfen bis zum Morgengrauen – „Die Mannschaft” präsentierte sich, so sickert jetzt immer mehr durch, eher wie eine Ansammlung von Kreisliga-Kickern auf der Saisonabschlussfahrt am Ballermann. Dass der Spieler Antonio Rüdiger ins Trainingslager in Tirol mit einer Sisha-Wasserpfeife im Gepäck angereist war, passt im Nachhinein ins desaströse Gesamtbild. Genauso wie Jogi Löw und Oliver Bierhoff als sportliche Führung, die in Russland eher in Sachen eigener Vermarktung unterwegs waren.

Erinnerungen an den Sommer 1982

Erinnerungen an den Sommer 1982 kommen auf: Damals bereitete sich die Nationalmannschaft mit Trainer Jupp Derwall – in Fußballerkreisen hieß die rheinische Frohnatur mit dem schlohweißen Haar nur „Häuptling Silberlocke” – am Schluchsee im Schwarzwald vor. Auch dort hatten trinkfeste und abgezockte Profis wie Paul Breitner, Toni Schumacher und Uwe Reinders schnell die Regie übernommen und in nächtlichen alkoholgeschwängerten Pokerrunden ihr Durchhaltevermögen demonstriert – und den damaligen Ersatztorwart Eike Immel mächtig über den Tisch gezogen. Der Jungspund aus Dortmund wurde in den Pokerrunden um seine gesamte WM-Prämie erleichtert. Später suchte Immel sein Heil im Dschungelcamp.

Eines sei Breitner und Co. zugestanden: Sie präsentierten sich auch auf dem Rasen abgezockt – sicherten sich am Ende die Vizeweltmeisterschaft. „Die Schande von Gijón” – jenes abgekarterte 0:0 gegen Österreich – sei an dieser Stelle nur am Rande erwähnt.

Wie sagte schon Trainer-Guru Felix „Quälix” Magath: „Qualität kommt von Qual”. Daran erinnert sich in diesen Tagen, an denen die bleiernde Traurigkeit über das WM-Aus langsam aus Trikots und Stutzen weicht, auch Jogi Löw – und setzt jetzt unter anderem auf „optionale Trainingseinheiten”: Daran können die Spieler teilnehmen – oder eben nicht. Arbeiten auf freiwilliger Basis. Pädagogisch wertvoll? Mal schauen, wer lieber einen Absacker an der Hotelbar nimmt.