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Interview

Nach dem Dopingvorwurf: Kollarks Kampf um die Ehre

Neubrandenburg / Lesedauer: 8 min

Der Leichtathletik-Trainer Dieter Kollark sah sich mit der Beschuldigung konfrontiert, zu DDR-Zeiten einem Jugendlichen Dopingmittel verabreicht zu haben. Im Interview spricht er über den Fall.
Veröffentlicht:23.02.2019, 11:28

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Die Vorwürfe waren anonym und kamen aus dem Dunkel der Vergangenheit. Aber sie wogen schwer und hatten das Potenzial, Ansehen und Karriere eines Mannes unwiderruflich zu zerstören. Der Leichtathletik-Trainer Dieter Kollark sah sich mit der Beschuldigung konfrontiert, zu DDR-Zeiten einem Jugendlichen, der „Hanno Siegel“ genannt wurde, Dopingmittel verabreicht zu haben.

Der junge Mann soll darunter in den vergangenen Jahrzehnten so sehr gelitten haben, dass er heute ein Pflegefall ist. Kollark beschwor unter Eid seine Unschuld. Ines Geipel, ehemalige Vorsitzende der Doping-Opfer-Hilfe (DOH), zeigte Kollark wegen eidesstattlicher Falschaussage an. Nun hat die Staatsanwaltschaft Berlin die Akte geschlossen – Kollark gilt als unschuldig. Nordkurier-Reporter Thomas Krause sprach mit ihm über den Fall.

Seit im August 2018 die erste Geschichte über das angebliche Dopingopfer „Hanno Siegel“ erschien, haben Sie sich zu den Vorwürfen in der Öffentlichkeit nicht groß geäußert. Warum?

Ich habe gleich gesagt, dass diese Vorwürfe unwahr sind. Auf Anraten meiner Anwälte sollte ich mich wegen des laufenden Verfahrens aber nicht jeden Tag dazu äußern.

Wie ist der aktuelle Stand der Ermittlungen genau?

Die Anzeige gegen mich wegen eidesstattlicher Falschaussage hatte Ines Geipel ja medienwirksam im Fernsehen gestellt. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das Landeskriminalamt mit der Aufklärung meines Falls beauftragt. Meine eidesstattliche Versicherung ist nicht anfechtbar. Entsprechend wurden die Ermittlungen eingestellt. Meine Anwälte und ich haben Akteneinsicht erhalten.

Frau Geipel verwies bei der Anzeige demnach auf eine ihr vorliegende Stasiakte. Die Veröffentlichung von Daten aus Stasiunterlagen, in denen ich Opferstatus habe, war schon vor zehn Jahren Gegenstand eines Rechtsstreits beim Verwaltungsgericht Berlin. Die Zeitung „Die Welt“ wollte damals Einsicht in diese Unterlagen haben, nach dem Stasiunterlagengesetz hätte ich zustimmen müssen. Habe ich aber nicht.

Aus diesen Akten sind nun aber persönliche und personenbezogene Daten veröffentlicht worden. Das ist unzulässig. Gilt das Stasiunterlagengesetz für meine Person nicht? Das habe ich auch den Datenschutzbeauftragten für MV in einem persönlichen Gespräch gefragt.

Gab es in den Akten Überraschungen für Sie?

Ja. „Hanno Siegel“ und Dr. Buhrmann wurden zu meinem Fall als Zeugen vernommen. Die Aussagen sind teilweise sehr konträr. Die Frage ist nun: Wer sagt die Wahrheit? „Hanno Siegel“ hat eine klare Aussage abgegeben: Erstens, Dieter Kollark war nicht sein Trainer! Zweitens, Dieter Kollark hat ihm keine Tabletten gegeben! Drittens, „Hanno Siegel“ hat niemals etwas anderes behauptet!

Weiter räumt er ein, dass er, wenn sein Trainer zur Weiterbildung war, auch bei mirTechnikeinheiten absolviert habe. Daran können sich jedoch weder ich noch meine damaligen Athleten erinnern. Buhrmanns Feststellung, Kollark sei Siegels Trainer gewesen, ist absurd. In der DDR hatte kein Leichtathlet mehrere Trainer.

Haben Sie in den Akten lesen können, von wem „Siegel“ die Dopingmittel dann bekommen haben soll?

Wie das angeblich mit den „blauen Tabletten“ war, ja. Dabei spielt meine Person keine Rolle in der Zeugenaussage von „Hanno Siegel“. Weiter möchte ich mich dazu nicht äußern. Das müssen andere beurteilen.

Buhrmann hatte bei einem Symposium im Oktober 2017 in Schwerin, bei dem es um die Geschichte des Kugelstoßers „Siegel“ ging (liegt dem Nordkurier vor), von Ihnen gesprochen.

Er hat meinen Namen nicht direkt genannt, nur von einem Trainer gesprochen, den „Siegel“ im Fernsehen bei der Weltmeisterschaft 2017 als Trainer der Chinesin Lijiao Gong (wurde Weltmeisterin im Kugelstoßen) wiedererkannt hatte. Das ist so, als hätte er 20 Minuten über den US-Präsidenten gesprochen, anschließend aber gemeint, nie Trump gesagt oder gemeint zu haben.

In dem Vortrag von Dr. Buhrmann wird die Geschichte des Kugelstoßers detailliert beschrieben. Haben Sie sofort gewusst, um wen es sich bei „Siegel“ handeln musste?

Natürlich, und viele andere Beteiligte aus jener Zeit auch. Alter und Disziplin, da kamen nur drei Sportler überhaupt in Frage. Die Beschreibung der familiären Situation schränkte dann alles auf eine Person ein.

Selbst wenn Dr. Buhrmann von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden war, wovon ich keine Kenntnis habe, ist es für mich schwer nachvollziehbar, warum er die Geschichte eines Patienten so öffentlich gemacht hat.

Von den 150 Leuten, die bei dem Symposium waren, wusste wahrscheinlich keiner, um wen es sich handelt. Als die Geschichte dann aber in den Medien war, wussten doch sofort viele, wer es ist.

Sie haben eine Anzeige wegen schwerer Rufschädigung gegen Unbekannt bei derStaatsanwaltshaft gestellt. Bleibt es dabei?

Ja, es bleibt bei einer Anzeige. Zu Beginn dachte ich noch, dass diese ganze Geschichte im Tagesspiegel teilweise von der Verfasserin erfunden war, um eine Story zu haben. Nun, nach Kenntnis der Rede von Buhrmann, sieht das alles anders aus.

Ohne eine umfassende Prüfung des Wahrheitsgehaltes wurde da eine Doping-Opfer-Story verfasst, viele Medien nahmen diese Geschichte auf. Bei der Europameisterschaft in Berlin wird dann dem letzten „Osttrainer“, der schon vor der Wende Athleten in der Nationalmannschaft trainierte, Kinderdoping unterstellt.

Da passt eines zum anderen und verspricht eine hohe Auflage. Aber dann nehme ich mein Recht wahr, mich zu wehren. Die Reaktion: „Hanno Siegel“ wird abgeschirmt, Strafanzeigen gegen mich werden gestellt, das Stasiunterlagengesetz wird ausgehebelt und der NDR berichtet mehrfach ausführlich, um die Glaubwürdigkeit des Trainers zu untergraben.

Gegen wen richtet sich Ihre Anzeige: gegen „Siegel“ oder gegen Buhrmann?

Dazu berate ich mich mit meinen Anwälten.

„Hanno Siegel“ ist inzwischen ein anerkanntes Staatsdopingopfer.

Offiziell ja. Ich möchte jedoch feststellen, dass es in der Leichtathletik der DDR eine Altersbegrenzung gab, bevor Athleten in den zentralen Kaderkreis und somit in die Arbeit des sportmedizinischen Dienstes aufgenommen wurden.

Nach meinen Recherchen ist es völlig ausgeschlossen, dass „Hanno Siegel“ unterstützende Mittel, also Dopingmittel, vom Sportmedizinischen Dienst in Neubrandenburg erhalten hat. Auch gab es in diesem Altersbereich keine Schmerzinjektionen. Woher er angeblich die „blauen Pillen“ bekommen hat, weiß ich nicht.

Laut Buhrmanns Vortrag auf dem Symposium soll „Siegel“ damals durch die blauen Pillen aber große Leistungssprünge gemacht haben.

Im Vortrag ja, aber in der Wirklichkeit absolut nicht. „Hanno Siegel“ erreichte in der 7. Klasse 13,97 Meter. In der 9. Klasse stieß er die Kugel 14,56 Meter. Das war auch unter Berücksichtigung eines sehr allgemein-athletischen Trainings eine sehr schwache Leistung.

Später haben Athleten in diesem Altersbereich über 19 Meter gestoßen. Ralf Bartels, ehemaliger SCN-Athlet, stieß die Kugel 20,22 Meter. Das damalige Training war ein Aufbautraining, von Leistungstraining kann keine Rede sein. Nach der 9. Klasse hat „Hanno Siegel“ seine Laufbahn beendet, er war schon beim sogenannten Abtrainieren.

Halten Sie die Entschädigung für Opfer des DDR-Dopings von 10.500 Euro für richtig?

Das kann ich nicht beurteilen, das ist Sache des Staates. Wer nachweislich Dopingopfer war, sollte auch entschädigt werden. Aber gegen Trittbrettfahrer muss man vorgehen. Das Ausfüllen der entsprechenden Antragsunterlagen ist sehr banal. Die eigenhändige Unterschrift, unterlegt mit einem erstellten Gutachten eines Arztes, sind schon ausreichend.

Der Hinweis, dass alle Informationen und Daten dem Datenschutz unterstehen und somit anonym bleiben, öffnet dem Betrug alle Türen und Tore. Dabei geht es um Millionen Euro. Ich denke immer an den Prozess von Hannover (die Staatsanwaltschaft Hannover erhob 2013 gegen den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff den Vorwurf der Bestechlichkeit, es ging um einen Betrag von 400 Euro, Anm. d. Red.). Dazu stelle ich im Vergleich diese 10.500 Euro für Dopingopfer, da sollte jeder Politiker im Bundestag sehr kritisch hinschauen.

Was ist nun aus Ihrer Sicht wahr an dieser Geschichte?

Dass es „Hanno Siegel“ real gibt, er in Neustrelitz lebt, bis 2016 als Kraftfahrer arbeitete und offensichtlich eine Rückenversteifung bekommen hat. Er ist als Dopingopfer anerkannt und hat auf der Grundlage eines Gutachtens von Dr. Buhrmann 10.500  Euro erhalten.

Gab es denn aus Ihrer Sicht ein Zwangsdoping in der DDR, wie es Ines Geipel und die Doping-Opfer-Hilfe propagieren?

Das ist Unsinn. Unterste Altersbegrenzung für unterstützende Mittel waren Athleten der U20-Kader für Europa- und Weltmeisterschaften. Das hieß aber nicht, dass Trainer und Athleten dazu verpflichtet gewesen sind. Es war in ihrem Ermessen, diese Mittel einzusetzen. Am Ende zählte nur die Leistung.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sie mit dem DDR-Doping in Verbindung gebracht wurden. Warum immer wieder Dieter Kollark?

Ich weiß es nicht. 1991 wurden die Unterlagen des sportmedizinischen Dienstes der DDR ausgewertet. Dabei wurden gut 270 Athleten aus den Bereichen Sprung, Sprint und Wurf ermittelt, denen damals angeblich Tabletten ausgereicht worden sind.

Es war kein Sportler von Dieter Kollark dabei. Von 1996 bis 2000 sind dann durch eine Kommission 140 SCN-Athleten angeschrieben worden. 32 ehemalige Sportler sagten, sie hätten von ihren Trainern Tabletten erhalten. Keiner sagte, etwas von Kollarkbekommen zu haben.

Wenn dann der NDR behauptet, SCN-Athleten hätten von Kollark Dopingmittel erhalten, dann hätten die 32 Sportler ja Falschaussagen gemacht. Warum sollten sie das tun? Um mich zu decken? So beliebt war ich auch wieder nicht.