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Heimatgeschichte

Als die schöne Stadt in Flammen aufging

Templin / Lesedauer: 4 min

Der 29. April 1945 war ein schwarzer Tag in der Geschichte Templins. Bis heute sind die Ereignisse von vor 77 Jahren unvergessen – und Wunden im Stadtbild noch sichtbar.
Veröffentlicht:24.04.2022, 09:12
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Das Leben in Templin wurde – wie in vielen anderen Städten der Region – im März und April 1945 durch die Auflösung der deutschen Front immer unruhiger. Tag und Nacht rollten lange Wagenkolonnen mit Flüchtlingen durch die Straßen. Die Rote Armee setzte ihren Vormarsch unaufhaltsam fort und näherte sich der Stadt. Nach einem schweren Tieffliegerangriff am 27. April kam der Befehl, die Stadt zu räumen. Der größte Teil der Bevölkerung folgte dieser Anordnung und verließ Templin am Freitagabend mit Autos, Fuhrwerken, schwer beladenen Handwagen, mit Fahrrädern und zu Fuß, mühsam die wertvollste Habe schleppend.

Die meisten Templiner verbrachten die ereignisreichen folgenden Tage in den nahen Wäldern, Dörfern und Ausbauten, besonders vor dem Mühlentor. Viele begaben sich aber auch auf eine äußerst beschwerliche Flucht, die sie bis nach Mecklenburg und Schleswig-Holstein führte. Der größte Teil von ihnen kehrte erst nach vielen Monaten oft völlig mittellos nach Templin zurück.

Führer der nationalsozialistischen Partei NSDAP und viele Naziaktivisten verübten Selbstmord oder hatten sich bereits durch Flucht Richtung Westen ihrer Verantwortung entzogen.

Am 28. April setzten sich SS-, Wehrmachts- und Volkssturmeinheiten über die Schleusenbrücke in Richtung Gandenitz und Alt Placht ab. Bei diesem Rückzug wurde die Schleusenbrücke gesprengt. Die Eisenbahn- und Straßenbrücke am „Fährkrug“, die Gleuensee- sowie die Pionierbrücke, die über den Kanal führende Eisenbahnbrücke Richtung Lychen und die Ziegeleibrücke waren bereits vorher zerstört worden.

Bewohner des Postheims verhinderten Schlimmstes

In der Nacht vom 28. zum 29. April wurde die Stadt von der Roten Armee besetzt. Sowjetische Aufklärungskräfte näherten sich aus Richtung Kuckucksheim und Joachimsthalsches Gymnasium, aus Richtung Dargersdorf kamen Panzer. Das Postheim und später der Waldhof wurden kampflos eingenommen. Im Postheim hatten die verbliebenen Bewohner weiße Fahnen gehisst und so eine Verwüstung der Anlage verhindert.

Beim Vormarsch kam es zu Schusswechseln am Kuckucksheim und am Vorstadtbahnhof, wobei dieser und das gegenüberliegende Wohnhaus (heute Standort Penny-Markt) in Brand gesetzt wurden. Schießereien gab es auch am Krankenhaus, wo ein Panzer mit Munition explodierte und Häuser beschädigte. Ein mit Sandsäcken, Steinen und Holz beladener Möbelwagen, der als Straßensperre am Prenzlauer Tor vorbereitet war, kam nicht mehr zum Einsatz. In der Seestraße wurden vordringende Soldaten von Mitgliedern eines „Jugendbanns“ aus Prenzlau aus der Bürgerschule beschossen.

Teile der sowjetischen Truppen rückten nach Hindenburg, wobei es in der Nähe der alten Kläranlage am Hauptbahnhof zu Schießereien kam. Andere Truppenteile marschierten über eine von ihnen errichtete Notbrücke in Richtung Lychen vor. Die beim Vormarsch angetroffenen Flüchtlinge wurden in die Stadt zurückgeschickt.

Dann wurde Templin am 29. und 30. April geplündert. Besonders Uhren, Lederwaren und Fahrräder waren begehrt. Es kam zu Vergewaltigungen, sodass es bereits am 29. April zu vielen weiteren Selbstmorden von Frauen, Mädchen und ganzen Familien kam.

Ab 29. April brannte es im Zentrum. Zuerst wurde an der Ecke Schinkelstraße/Am Markt das „Café Zwerg“ angezündet und dadurch das gesamte Viertel vernichtet sowie das Karree Mühlen-, Goethe-, Kantstraße. Ebenso brannte das Viertel der heutigen Goethe-, Werder-, Kant-, Mühlenstraße. Augenzeugen berichteten, dass auch Jugendliche des Volkssturms Brände legten. Angezündet wurde auch die Baptistenkapelle in der Pestalozzistraße, da dort Wehrmachtsangehörige untergebracht waren. Auch im Scheunenviertel brach Feuer aus.

Einige Templiner wurden am Löschen gehindert

Bis zum 3. Mai brannten noch die Bürgerschule, Häuser der heutigen Thälmannstraße, die Ecke Obere Mühlen-/Fischerstraße, Grundstücke in der Waldstraße sowie das Kreishaus teilweise aus. Verursacher der Brände in der Thälmannstraße und am Kreishaus waren polnische Zwangsarbeiter beim Verlassen der Stadt. Umfangreiche Löscharbeiten waren nicht möglich, da die Einwohner noch nicht zurück waren oder am Löschen gehindert wurden.

Es wurden in dieser Zeit 234 Häuser unbewohnbar, das waren etwa 60 Prozent aller Häuser in Templin. Heute erinnern immer noch mahnend Baulücken in der Innenstadt an die Zerstörungen.