Was bisher geschah
Seit 15 Tagen kein Lebenszeichen
Luisenhof / Lesedauer: 5 min
Seit 17 Tagen ist Evgenia Rusta spurlos verschwunden. Es gibt weder ein Lebenszeichen, noch einen neuen Hinweis zu der 93-jährigen Berlinerin, die am 7. September gegen 17.10 Uhr das Wochenendhaus in Luisenhof verließ. Die Familie hofft auf ein Wunder, klammert sich an jeden Strohhalm.
Tochter Irina hat ein komisches Gefühl
An diesem Freitag nahm Evgenia Rusta den braunen Plastikeimer, um die zusammengeharkten Lindenblätter vom Wochenendhaus zur Straße zu bringen. „Ich habe gesehen, wie sie hochgelaufen ist“, sagt ihre Tochter Irina und erinnert sich an ein eigenartiges Gefühl: „Sie verschwand in der vierten Dimension. Ich werde sie nicht mehr wiedersehen, habe ich gedacht“. Um so größer war dann natürlich die Aufregung, als die 93-Jährige tatsächlich nicht zurückkam. Irina Rusta setzte sich ins Auto und fuhr den Weg ab. Immer noch im Glauben, ihre leicht demente Mutter hätte sich –wie es auch schon am Vormittag passiert war – verlaufen und die neue Auffahrt nicht gefunden. Die Suche blieb erfolglos. Irina Rusta alarmierte die Polizei. „Ich war fest davon ausgegangen, dass sie nicht in den Wald gelaufen ist. Vor dem Wald hatte sie einen ungeheuren Respekt.“
Polizeihubschrauber mit Wärmebildtechnik
Freunde und Nachbarn wurden innerhalb kürzester Zeit mobilisiert und halfen der Familie und der Polizei bei der Suche. Ein Polizeihubschrauber mit Wärmebildtechnik wurde angefordert. „Dieser flog zweimal das Gebiet ab“, so Kriminaloberkommissar Andreas Bartz. Ohne Ergebnis. Eine hundertprozentige Sicherheit, dass sich Evgenia Rusta nicht im Umkreis aufhielt, gibt es nicht. Andreas Bartz erinnert sich an einen Fall in der Vergangenheit, als ein Mann vermisst wurde. „Damals fanden wir ihn bei Minus 20 Grad neben einem Baum sitzend. Die Wärmebildkamera hatte das nicht angezeigt.“
Zeuge will die alte Dame am nächsten Morgen gesehen haben
Auch die am Abend eingesetzten Fährtenhunde der Polizei konnten keine Spur aufnehmen. Am nächsten Morgen ging die Suche weiter, diesmal war die Rettungshundestaffel aus Barnim im Einsatz. „Die Spur führte in den Wald“, so Irina Rusta. Noch während der Suche hatte sich ein Mann aus dem gut sechs Kilometer entfernten Arnimswalde bei der Polizei gemeldet. Er hatte gegen 9.30 Uhr eine weißhaarige Frau an seinem Fenster vorbeilaufen sehen. Zu diesem Zeitpunkt war er der Annahme, es wäre seine Nachbarin. Als sich herausstellte, dass diese gar nicht zu Hause ist, und er vom Sucheinsatz hörte, verständigte er die Polizei. „Er kennt meine Mutter von einer Veranstaltung“, so Irina Rusta, deren Freundin in Arnimswalde wohnt. Die Hunde haben in Arnimswalde angeschlagen, die Spur führte zurück in den Wald bis zum einem kleinen Weiher. Dort verliert sich die Fährte. „Auch Hunde machen Fehler, dass hat sich erst wieder im vergangenen Jahr gezeigt. Im Oktober wurden Skelettteile eines seit Dezember 2013 vermissten 34-jähriger Schwedter in den Polderwiesen bei Schwedt gefunden. Damals hatten die Fährtenhunde unter anderem in Gramzow eine Spur aufgenommen. Aus heutiger Sicht war der Mann nach seinem Verschwinden nie in Gramzow“, so Kriminaloberkommissar Andreas Bartz.
Wurde Evgenia Ruska gekidnappt?
In der ersten Woche nach dem Verschwinden von Evgevnia Rusta wurden sämtliche Waldwege abgesucht. Ohne Erfolg. Keine Spur – weder von der Dame noch vom braunen Eimer. Doch was kann passiert sein? Es gab die wildesten Spekulationen. „Ein Gewaltverbrechen schließt die Polizei so gut wie aus. Wir nicht.“, so Irina Rusta. „Auch die Möglichkeit, dass ein Jäger sie versehentlich angeschossen haben könnte, wurde betrachtet. Doch eine Blutspur hätten die Hunde angezeigt, sagte man uns.“ Viele Szenarien spuken den Betroffenen durch den Kopf – bis hin zum Kidnappen. „Auch ein Helfersyndrom schließen wir nicht aus.“ Das würde bedeuten, jemand hat die alte Dame gefunden, mit nach Hause genommen und kümmert sich um sie. Für ihn ist das Gebraucht-werden-wollen eine Sucht.
Funkzellenüberprüfung nicht möglich
Auch die Polizei tappt nach wie vor im Dunkeln und wartet auf neue Anhaltspunkte. Interessant wäre beispielsweise, wer die Personen waren, die am Ringenwalder Kreuz in einem schwarzen VW Polo mit Neubrandenburger Kennzeichen saßen. Sie wurden von einem Mitglied der freiwilligen Feuerwehr gesehen. „Vielleicht hatte der Fahrer dort nur gestoppt, um auszutreten“, so Andreas Bartz. Der Kriminaloberkommissar steht in enger Verbindung mit der Familie und kann durchaus verstehen, dass sie alles Mögliche unternehmen, um die Vermisste, die in Moskau geboren wurde, zu finden. Selbst eine Überprüfung des Hauses auf dem Nachbargrund, die mit Zustimmung der Eigentümerin – ohne Durchsuchungsbefehl – erfolgte, wurde durchgeführt. Die Idee von Irina Ruska, eine Funkzellenüberprüfung zu veranlassen, musste Bartz aber abschlagen. „Erstens fehlt dafür der Verbrechenstatbestand, zweitens ist das auf dem platten Land nur mit einem riesigen, fast nicht händelbaren Aufwand zu realisieren.“ Das würde bedeuten, dass alle Personen, die an diesem Tag mit ihrem Mobilfunkgerät im Umkreis von 35 Kilometern unterwegs waren, überprüft werden müssten.
Hoffnung liegt auf hellseherisch Begabter
Die Polizei in der Uckermark steht auch unkonventionellen Suchmethoden positiv gegenüber. Die Aussage einer hellseherisch begabten Frau, sie vermute Irina Ruska in einer ehemaligen Strandbaracke in Woldegk, wurde ernst genommen. „Die Neubrandenburger Kollegen haben das überprüft. Die Baracke ist verrammelt.“ Irina Ruska setzt noch auf einen anderen Hinweis der „Hellseherin“. „Sie hat meine Mutter in einem Haus in einem Dorf bei einer ältlichen Frau gesehen. Wir werden gemeinsam in die Uckermark fahren und schauen, ob sie das Haus erkennt. Mehr möchte ich jetzt dazu noch nicht sagen, um niemanden aufzuschrecken.“
Mittlerweile wurde über den Vermisstenfall, der europaweit ausgeschrieben ist, in regionalen und überregionale Zeitungen sowie in Fernsehsendungen berichtet. Ohne Erfolg.
„Wir haben Jäger, Waldbesitzer und Förster noch einmal sensibilisiert, die Augen offen zu halten. In den nächsten Wochen beginnen die Treib- und Drückjagden...“.