Wutbrief an Ex-Präsidenten
48-Jährige entsetzt von Beschimpfung durch Gauck
Prenzlau / Lesedauer: 3 min
Ex-Bundespräsident Joachim Gauck hat Gegner der Corona-Impfung dieser Tage scharf angegriffen. Bei einer Beratung mit Lehrern in Rostock betonte der Pensionär, dass die Pandemie noch nicht überwunden sei. „Dann ist ja auch schrecklich, dass wir in einem Land leben, in dem nicht nur Bildungswillige leben, sondern auch hinreichende Zahlen von Bekloppten. Also Entschuldigung: Das darf ich mal so locker formulieren, ich bin ja jetzt Rentner und muss nicht mehr auf jedes Wort achten.”
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In weiten Teilen der Bevölkerung hat diese Aussage für Empörung gesorgt. Doreen Mechsner aus Fergitz gehörte zu denen, denen „seine Beschimpfung Impfunwilliger als Bekloppte sehr nahe ging. Das hat mich sehr getroffen.“
Dolchstoß für alle
Die vierfache Mutter aus der Uckermark hat dem 81-Jährigen deshalb einen Brief geschrieben, der auch an die Medien ging. Die 48-jährige Therapeutin übertitelte ihre Überlegungen mit „Wenn Sprache zur Waffe wird“. Sie wirft darin die Frage auf: „Wie reden wir nur miteinander? Wenn wir überhaupt noch miteinander reden? Herr Gauck ist 81 Jahre alt und damit Rentner, aber er tritt nach wie vor öffentlich auf. Er hat eine Reichweite. Menschen, die nicht geimpft sind, als ‚Bekloppte‘ zu bezeichnen (zu beschimpfen) ist, wie er es vorweg entschuldigt, nicht nur locker formuliert, sondern ein Dolchstoß für alldiejenigen, die sich teilweise aus guten Gründen gegen eine Impfung entschieden haben.
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Warum redet Herr Gauck (genauso wenig wie andere Politiker/Entscheidungsträger) nicht einfach mal mit diesen Menschen? Mit diesen Ungeimpften, wie es Neudeutsch heißt? Über diese Menschen zu reden, scheint leichter, scheint willkommen zu sein. Und ist in jedem Fall abwertender, weil entpersonalisiert. Hinter Ungeimpften, hinter diesen Bekloppten stecken Menschen, stecken Biografien.“
Verschiedene Thesen vermisst
Ihre Oma habe früher immer gesagt, dass nur redenden Menschen geholfen werden kann, führt Doreen Mechsner weiter aus: „Doch genau daran krankt es. Wie reden wir miteinander? Wenn wir überhaupt noch miteinander reden. Seit Beginn der Corona-Krise vermisse ich die Diskussion zwischen Wissenschaftlern unterschiedlicher Thesen. Ich denke, Herr Gauck weiß um die Macht von Worten.“ Sie will ihm glauben, dass er salopp formuliert hat, dass er vielleicht einmal nicht ganz genau darüber nachgedacht hat, was dieses eine Wort bewirken kann.
Deshalb habe sie ihm geschrieben, dass es sie sehr getroffen und verletzt hat, erklärt die Familienberaterin: „Und mich besorgt macht. Seit Jahren schon verfolge ich die Debattenkultur in unserem Bundestag. Wie sollen unsere Kinder lernen, respektvoll und wertschätzend miteinander umzugehen, wenn ihnen von der Politik solch eine unsägliche Kommunikationskultur vorgelebt wird? Wo beschimpft wird, gebuht, ignoriert, am Handy gespielt oder sogar geschlafen? Was können wir tun? Ich schlage vor, uns mit Marshall B. Rosenberg und seiner gewaltfreien Kommunikation zu beschäftigen? Ich denke, wenn diese Form, der Kommunikation nicht als Methode, sondern aus einer inneren Haltung heraus, praktiziert würde, ließen sich viele Konflikte befrieden? Ich habe Herrn Gauck gefragt, ob er Lust hätte, daran mitzuwirken und bin sehr gespannt auf seine Antwort.“