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Lebenstraum

Auswanderin - Ich muss nicht mehr auf den Preis gucken

Prenzlau / Lesedauer: 5 min

Den Traum vom Auswandern hat Friseurin Bianca Berg lange in sich getragen. Erst sah sich die Prenzlauerin in Amerika, letztlich wurde es „nur” die Schweiz.
Veröffentlicht:01.02.2023, 12:03

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Bianca Berg hat ihn gewagt, den Schritt hinaus in die große, weite Welt. Gemeinsam mit ihrem Partner lebt die 34-Jährige seit Januar 2020 in der Schweiz. Ursprünglich hatte das Paar sogar mit einem Neustart in Florida geliebäugelt – „aber das wäre uns dann doch zu weit weg von der Heimat gewesen.” Darum haben sich die beiden nun in „nur” 1000 Kilometern Entfernung ein neues Leben aufgebaut. Im Gespräch mit dem Uckermark Kurier bilanziert die Friseurin drei Jahre später: „Das hätten wir schon viel früher wagen sollen – alles richtig gemacht.”

Es ist vor allem der höhere Lebensstandard, den das Paar an seiner neuen Heimat schätzt. „Ich muss beim Einkaufen nicht mehr auf den Preis gucken, sondern lege das in den Korb, worauf wir Appetit haben”, schwärmt die gebürtige Prenzlauerin: „Kein Vergleich zur alten Heimat, wo ich jeden Cent dreimal umdrehen musste und trotz Job noch auf Zuschuss vom Amt angewiesen war, weil die Abgabenlast so hoch war. In der Schweiz bleibt den Menschen wirklich viel mehr von ihrem Lohn, auch als Rücklage für die Rente.”

Nur 20 Tage Urlaub

Geschenkt werde ihnen in Luzern aber nichts, stellt die junge Frau schnell klar: „Ich gehe 43,5 Stunden die Woche arbeiten und habe nur 20 Tage Urlaub im Jahr, das ist hart verdientes Geld.” Im Salon müsse sie täglich Leistung abliefern, betont Bianca Berg: „Ich fange um 9 Uhr an und bin selten vor 20 Uhr zu Hause. Auch sonnabends wird gearbeitet. Die Chefs sind zwar alle sehr umgänglich. Und man ist sofort mit allen per Du. Aber der Umsatz muss stimmen. Das ist von Anfang an klar.” Besonderer Fleiß und Einsatz werde allerdings auch extra honoriert, erzählt Bianca Berg und schwärmt von dem Arbeitsmodell mit Provisionen. Man verstehe es hier, den einzelnen Arbeitnehmer zu motivieren. Überstunden beispielsweise dürften selbstverständlich abgebummelt werden. Schon in ihrer ersten Schweizer Arbeitsstelle habe sie das große Glück gehabt, bei internen Challenges mit Produkten belohnt zu werden.

Daniel Golz von Instagram getroffen

„Außerdem legt man viel Wert auf Weiterbildung. Ich bin schon auf etlichen Fortbildungen gewesen. Das ist toll. Da kommt man rum, lernt neue Leute kennen und kann sich beruflich auf den neusten Stand bringen.” Bei der in der Fachwelt renommierten „Mega in Love”-Messe beispielsweise sei sie sogar auf den Top-Hairdresser Daniel Golz getroffen. Daran erinnert ein Foto mit dem Instagram-Star.

Nach Startschwierigkeiten in der Fremde gefragt, führt Bianca Berg zuerst Corona an. Auch in der Schweiz gab es einen Lockdown, der sie gleich zu Beginn zum Nichtstun verbannte. „Ich hatte erst knapp fünf Wochen gearbeitet, als die Salons geschlossen wurden. Aber die Chefs haben sich sofort gekümmert, dass wir weiter pünktlich Lohn bekamen. Zwar nur 80 Prozent, doch davon ließ es sich gut leben.”

Schweiz und die Sprache

Die Auswanderin nutzte die Zwangspause, um ihr „Schwizerdütsch” ein bisschen aufzupeppen, wie sie lachend verrät. „Anfangs hatte ich große Schwierigkeiten mit dem Verstehen”, räumt sie ein und erzählt schmunzelnd, dass sie zunächst viele Begriffe nicht deuten konnte: „Eine Alltagsfloskel für Einkaufen ist beispielsweise 'Goposchte'. Da dachte ich immer, dass die Kunden im Anschluss zur Post gehen wollen. Oder als ich das erste Mal ums Fransen-Schneiden gebeten wurde ... da habe ich mich zum Glück nochmal aufklären lassen: Fransen heißt in der Schweiz der Pony.”

Manchmal Balayage

Gefragt nach den Eigenheiten der Schweizer Kunden, sagt sie, dass die Deutschen experimentierfreudiger seien bei Haarschnitt und Farbe. In Luzern wollten es die meisten schön dezent und klassisch gerade, manchmal noch mit Balayage. „Aber auf jemanden, der eine spezielle Schneide- oder Strähnentechnik wünscht, muss ich hier schon lange warten.”

Das Trinkgeld falle oft recht üppig aus: „Gleich zu Beginn habe ich mal von einer Dame 100 Franken bekommen, also rund 100 Euro. Da war ich so perplex, dass ich das erst gar nicht annehmen wollte. Das ist natürlich nicht die Regel. Meistens reicht es aber für den Einkauf.” Den erledigt sie am liebsten bummelnd in der blitzsauberen Innenstadt mit dem Luzernsee, der sie an manchen Stellen sehr an Prenzlau erinnere. „Mir fällt allerdings auf, dass die Leute hier viel höflicher und freundlicher sind als zu Hause, nicht so gestresst und missmutig.”

Vielleicht Mallorca

Ein Zurück ist daher für sie ausgeschlossen, ein Weiterziehen hingegen nicht. Am Mittwoch beginnt sie einen neuen Job als Colouristin bei einem angesehenen Albaner, der in der Szene einen Ruf als absoluter Profi hat. In seinem Salon wird sie auch die neuesten Herrenschnitte lernen. „Darauf freue ich mich schon sehr.” Und im hintersten Gedankenstübchen lebt weiter der Traum, vielleicht irgendwann weiter zu reisen. Nicht nach Florida, diese Idee ist vom Tisch: „Aber Mallorca ist durch viele Kurzurlaube schon zu unserer zweiten Heimat geworden. Wir mögen die spanische Mentalität. Also, wer weiß ...” Abschließend betont die junge Frau, dass ihr neben ihrer Familie auch die alten Arbeitskollegen fehlen: „So ein familiäres Verhältnis, wie wir in Prenzlau hatten, gibt es hier im Job nicht.”