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Angst ums Kind

Eine Helikopter-Mutter erzählt

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Grit Neumanns Sohn ist sieben. Aber sie käme nie im Leben auf die Idee, ihn allein zur Schule aufbrechen zu lassen, schon gar nicht mit dem Fahrrad.
Veröffentlicht:23.04.2022, 11:37

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Grit Neumann blutet das Herz, wenn sie ihren Sohn mit seinem kleinen grünen Rad vor sich herfahren sieht. Seit ein paar Wochen übt die Prenzlauerin mit ihm ganz gezielt das Verhalten im Straßenverkehr. Aber den Siebenjährigen schon allein mit dem Drahtesel aufbrechen zu lassen, das käme der 36-Jährigen nicht in den Sinn: „Da können mich alle anderen ruhig für eine Helikopter-Mutter halten. Aber ich bringe meinen Jungen noch zu Fuß oder mit dem Auto zur Schule. Ohne mich geht es nicht.” Obwohl der Schulweg des Erstklässlers nicht mal zehn Minuten dauert, mag Grit Neumann ihren Raffael nicht aus den Augen lassen.

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„Ich weiß, dass es eine Mitschülerin gibt, die schon allein – begleitet von der radelnden Mama – mit dem Rad zum Unterricht kommt. Und ein Kumpel aus der Parallelklasse fährt in der Freizeit sogar schon Motocross. Ich bewundere das als Hobby auch sehr. Aber für uns kommt das nicht in Frage.”

Eltern oft verteufelt

Die gelernte Logistik-Facharbeiterin kennt natürlich die erhitzten Diskussionen zu diesem Thema und merkt, dass besorgte Mütter und Väter häufig verteufelt werden, weil sie die Selbstständigkeit ihres Nachwuchses dadurch behindern würden. „Doch ich denke mal, die meisten Eltern scheinen da wie ich zu ticken”, erklärt die Alleinerziehende: „denn morgens reiht sich an der Schule ein Auto ans andere. Aber zu der Zeit, in der alle ihre Kinder bringen, ist die Straße natürlich auch gut voll. Ich parke dann immer gleich beim Aldi. Und zum Glück ist das Gerüst vom Dachbau am Nebengebäude jetzt weg. Das war nämlich auch sehr eng. Morgens ist es jedenfalls ein ziemliches Gewusel, das gebe ich ja zu.”

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Das würde vielleicht anders aussehen, wenn es in der Stadt richtige Fahrradstraßen, beruhigte Zonen oder Möglichkeiten wie einen stationären Verkehrsgarten gäbe, in dem Eltern mit dem Nachwuchs Vorfahrtsregeln und Schilder üben sowie das Fahren an sich trainieren könnten, vermutet die besorgte Mama.

Üben oft im Park

„Wir gehen dazu oft in den Park, aber die Situation dort ist natürlich nicht mehr der realen in der Stadt vergleichbar”, gibt die junge Frau zu bedenken. Dort gebe es eben keine Pkw-Fahrer, die beim Abbiegen aufs Handy schauten oder gleich mal bei Rot über die Ampel rauschten, argumentiert Grit Neumann im Gespräch mit dem Uckermark Kurier: „und dort ist es auch nicht bedrohlich, wenn einem der Radfahrer auf der falschen Seite entgegenkommt; da ist ja genug Platz, um auszuweichen.” Sie sehe jedenfalls an allen Ecken riesiges Gefahrenpotenzial. Nicht ganz unbegründet, wie sie dieser Tage erst erfahren musste. Da kamen Mutter und Sohn nämlich auf einen Unfall an der Stadtverwaltung drauf zu.

Unfall am Rathaus

„Beim Zebrastreifen zwischen Altersheim und Rathaus lag eine Person mit Fahrrad vor einem Auto. Ein Transporter-Fahrer hatte schon einen RTW gerufen. Der Verkehr wurde bereits geregelt. Wir sind deshalb nach Hause gegangen. Aber man macht sich dann schon noch Gedanken, ob es der Person gut geht beziehungsweise wie es dazu kommen konnte. Das ist ein bedrückendes Gefühl, vor allem, wenn man gerade so wie ich dabei ist, das Kind ein bisschen selbstständiger erziehen zu wollen. Aber wir wohnen nun mal direkt an der Hauptstraße, und auf dem Hof stehen auch lauter Autos. Platz für ein Kind ist da so richtig nicht.” Grit Neumann wüsste gern, wie andere Eltern darüber denken und ob sie vielleicht Tipps fürs Fahrradtraining mit ihrem Knirps haben.