Holger Staegemann braucht Musik, wenn er arbeitet. „Meist laufen Schlager bei mir”, sagt der Mann mit den kräftigen Handwerkerhänden. Manchmal dröhnen auch härtere Klänge aus den Boxen seines Makita-Baustellenradios. Der Uckermärker nennt das augenzwinkernd Garagenrock mit Wumms. „Rammstein, AC/DC, ZZ Top und so. Gern auch alte DDR-Bands wie City und Karat. Ich muss das haben, um morgens in die Gänge zu kommen – am besten ganz laut”, erklärt der Tischler nachdrücklich.
Weil er in der Regel allein in der Werkstatt gewesen sei, habe er auf die Geschmäcker der anderen Kollegen im Betrieb nie Rücksicht nehmen müssen, setzt der gebürtige Gramzower schnell hinzu. Doch ganz so unbeobachtet kann er im Job nicht gewesen sein, denn sonst hätte er diesen noch. So aber setzte ihn sein Betrieb, ein großes Wohnungsunternehmen der Region, eines Morgens mit sofortiger Wirkung beurlaubt vor die Tür.
Titel von „Landser”
12 Tage später trudelte die fristlose Kündigung ein. Hintergrund: Kollegen hatten ihn wegen des Abspielens rechter Musik angezeigt, der Arbeitgeber unverzüglich Konsequenzen gezogen. „Das war einen Tag vor meinem Geburtstag, am 12. September 2019 so gegen 16 Uhr”, erinnert sich der 53-Jährige zurück. Er habe sich in der Nacht zuvor aus dem Internet Rockmusik runtergeladen gehabt, darunter auch Titel von „Landser”. Das ist eine deutsche Rechtsrock-Band aus Ostberlin, die bis zu ihrer Auflösung im Jahr 2003 als die bundesweit erfolgreichste sowie bekannteste Musikgruppe aus dem neonazistischen Milieu galt. Staegemann behauptet, nicht gewusst zu haben, um was für Stücke es sich dabei gehandelt habe.
„Ich weiß, dass einige Titel auf dem Index stehen. Aber wie gesagt, ich hatte sie nur schnell auf den MP3-Player gezogen, um im Laufe des Tages bei der Arbeit mal reinzuhören.” Ihm selbst seien an diesem Nachmittag auch einige Texte als zu hart erschienen, versichert der aktuell erwerbslose Mann. „Ich habe sie längst wieder gelöscht”, betont der alleinerziehende Vater einer 12-jährigen Tochter. Seinen Arbeitsplatz gerettet hat ihm das allerdings nicht.
Vergleich erzielt
Der Handwerker konnte zwar mit seinem ehemaligen Betrieb am 21. November beim Arbeitsgericht in Eberswalde einen Vergleich schließen, der mit einer Zahlung des Gehalts bis 31. Dezember 2019 und einer Abfindung in Höhe von 2500 Euro endete. „Ich hätte mir stattdessen aber lieber eine Wiedereinstellung gewünscht”, sagt Holger Staegemann: „Schließlich war ich in den fünf Jahren meiner Festanstellung nicht einen Tag krankgeschrieben und habe meine Arbeit immer zur vollsten Zufriedenheit erledigt. Es hätte meines Erachtens auch eine Abmahnung getan, daraus hätte ich doch Schlussfolgerungen gezogen.”
Sein ehemaliger Arbeitgeber sieht das anders. Auf Nachfrage des Uckermark verlautet von dem Unternehmen, dass das nicht das erste Vorkommnis gewesen sei und dass sich der ehemalige Kollege schon länger nicht an die Regeln gehalten und es mehrere arbeitsrechtliche Verstöße gegeben habe. Mit Verweis auf den Datenschutz wollte der Firmenvorstand zwar nicht weiter ins Detail gehen, aber er stellte unmissverständlich fest, dass das Abspielen von Musik mit volksverhetzenden Texten Kündigungsgrund genug gewesen sei. „Das ist strafbar. Wir sind ein offenes, kundenorientiertes Unternehmen, dass sich von einem solchen Verhalten ausdrücklich distanziert. So etwas ist nicht hinnehmbar.” Diese Position sei nicht diskutierbar, und wer da nicht mitgehe, müsse eben mit den Konsequenzen leben, hieß es abschließend. Konsequenzen dürfte das Verhalten auch noch an anderer Stelle haben.
Polizeieinsatz bestätigt
Die Polizeidirektion Ost in Frankfurt/Oder bestätigte, dass es am 12. September in der Werkstatt bei Holger Staegemann einen Einsatz gegeben habe, bei dem ein MP3-Player sichergestellt und eine Anzeige wegen Volksverhetzung aufgenommen worden seien. Sprecherin Bärbel Cotte-Weiß: „Der Vorgang wird derzeit noch beim Staatsschutz bearbeitet. Welche Maßnahmen der Arbeitgeber für seine Beschäftigten trifft, betrifft nicht die Maßnahmen der Polizei.”
Der einschlägige Tatbestand in diesem Fall fußt auf Paragraf 86a Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches (StGB). Dieser Paragraf stellt die öffentliche Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wie der NSDAP oder SS unter Strafe. Unter „Kennzeichen“ fallen auch Symbole, Grußformeln, Parolen und eben Lieder. Für die Verwirklichung des Merkmals „öffentlich“ kommt es nicht auf die Öffentlichkeit des Ortes, sondern darauf an, ob das von einer nicht überschaubaren Anzahl von Personen wahrgenommen werden kann.
Finanzielle Nöte
Holger Staegemann sieht das gelassen: „Bislang habe ich nichts von der Polizei gehört. Dabei liegt der Vorfall ja schon zwei Monate zurück.” Er sieht sich zu Unrecht um seinen Job und in finanzielle Nöte gebracht. „Zurzeit lebe ich mit meiner Tochter vom gepumpten Geld eines Kumpels, denn weder die Nachzahlung noch die mir zugestandene Abfindung sind bisher eingegangen”, behauptet er. Der Uckermärker ist fest davon überzeugt, dass man an ihm ein Exempel statuieren wolle, weil er aus seiner Nähe zur AfD nie einen Hehl gemacht habe. Holger Staegemann räumt ein, auch Wahlflyer im Betrieb verteilt zu haben. „Warum denn nicht, das ist eine zugelassene Partei, die die Gunst vieler Menschen hat.” Gefragt, ob er zur NPD tendiere, sagt der Tischler bestimmt, dass er dort 1996 ausgetreten sei und keine Verbindungen mehr habe. „Ich lasse mir auch nicht Ausländerfeindlichkeit unterstellen”, bekräftigt er dann: „Aber ich sage laut, dass die derzeitige Flüchtlingspolitik verfehlt ist und es so nicht weitergehen kann.” Was das anbelange, hätten sich einige Ex-Kollegen von ihm schon viel deutlicher artikuliert, beteuert Staegemann: „Aber denen passiert nichts.”