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Magische Nacht

Schafe auf der Weide beschützt

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Ursula Macht ist mit den Tieren auf ihrem Hof eng verbunden. Deshalb ließ die Uckermärkerin die Vierbeiner in schlimmen Stunden nicht allein.
Veröffentlicht:05.01.2023, 08:47

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Es ist erst wenige Tage her, dass Ursula Macht mit zwei guten Freundinnen am Lagerfeuer saß, um ihren Schafen auf der Weide die Angst vor der Silvesterböllerei zu nehmen. Aus den Vorjahren wusste die 68-Jährige, wie sehr die Knaller die Tiere stressten und dass menschliche Nähe ihnen etwas von dieser Furcht nehmen konnte. Bei Trommeln und guten Gesprächen ließen die drei Frauen deshalb auch diesmal wieder das zu Ende gehende Jahr im Freien neben den Vierbeinern ausklingen. „Es war eine stürmische, ja fast magische Nacht; so voller Licht und Hoffnung mit einer Mondin, so schön und klar”, erinnert sich die promovierte Literatur-Wissenschaftlerin zurück.

+++ Für Tiere ist Silvester eine Katastrophe +++

Nach vielen Monaten – vollgepackt mit eigenen Ängsten und Sorgen – hätten ihr diese Stunden am lodernden Feuer wieder Zuversicht geschenkt, erzählt die Aussteigerin, die vor 14 Jahren mit ihrem Projekt Artemishof in Flieth gestartet war. Die gebürtige Berlinerin bewirtschaftet in dem kleinen Dorf ein 8000 Quadratmeter großes Pachtgrundstück, auf dem sie eine Permakultur-Selbstversorger-Wirtschaft installiert hat. Ihr Hof soll ein Beweis dafür sein, dass es möglich ist, nicht mehr gegen die Natur zu arbeiten, sondern mit ihr. Die Menschen müssten begreifen, „dass wir selbst die Natur sind und zum großen Kreislauf gehören. Wir haben keine andere Möglichkeit mehr, als uns demütig in den Energiekreislauf der Erde einzufügen.”

Wunsch nach Frieden und Liebe

Die ehemalige Mitarbeiterin der Akademie der Wissenschaften der DDR hofft, dass der „Raubtierkapitalismus”, der vor über 30 Jahren auch in ihrer Heimat Einzug gehalten habe, nicht das Ende der Geschichte sei, „sondern sich nach drei Jahren Corona- und Wirtschaftskrise endlich neue Türen für die Gesellschaft öffnen.” Die Zeit sei reif dafür und die meisten Menschen auch, ist Ursula Macht überzeugt: „Man hört und sieht das leider oft nicht, weil die wenigen Rückwärtsgewandten und Bösen viel lauter sind.”

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„Möge dieses neue Jahr ein gutes werden, voll mit Frieden und Liebe für alle”, mit diesem Wunsch startete die vitale Rentnerin in den Neujahrsmorgen. Ihren Mitmenschen gab sie zum Jahreswechsel den Rat mit auf den Weg, selbst gut zu sich zu sein: „Achtet darauf, mit wem ihr euch umgebt und vor allem, wie ihr euch ernährt. Man darf das Negative nicht zu sehr an sich heranlassen, sonst ergreift es Besitz von einem.” Ihrer Meinung nach bräuchten die Menschen mehr denn je Versöhnung, sehnten sich geradezu danach, dass die ständige In-Panik-Versetzerei endlich ein Ende habe. „Ich habe in letzter Zeit immer mehr Leute getroffen, die ähnlich ticken, das nährt meine Zuversicht, dass es gelingt. Ich glaube, dass die Phase der Klarheit schon begonnen hat, dass Schleier fallen und Dinge offengelegt werden, die ans Licht müssen. Wenn das jetzt noch weltweit begänne, dann hätten wir es geschafft.” Um zu sehen, was die Krise anderswo mit den Menschen gemacht hat, begibt sich Ursula Macht nächste Woche auf große Reise.

Flieger nach Chile

Am 11. Januar geht ihr Flieger nach Chile. Die langjährige Kulturamtsleiterin bereist das südamerikanische Land bereits zum dritten Mal; erneut über das Modell „workaway” – sprich sie bietet ihre Arbeitsleistung im Tausch gegen Kost und Logis an. „Sonst hätte ich mir das nie leisten können. Und das Billigticket habe ich mir die letzten Monate vom Munde abgespart.”

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Von ihren Freunden, die sie dort seit vielen Jahren hat, weiß die Wahl-Uckermärkerin, dass die dortige Gesellschaft bereits einen großen Umbruch hinter sich hat. Sie trage zwar noch schwer am Los der Pinochet-Diktatur, doch die Bevölkerung habe entscheidende Schritte weg von der furchtbaren Vergangenheit und dem Neoliberalismus hin in ein demokratisches Zusammenleben getan, betont die Öko-Bäuerin, die höchsten Respekt vor dem Aufstand hat, den das Volk dort gewagt habe. Ein Vierteljahr lang will die Endsechzigerin durchs Land touren und Erfahrungen sammeln. Erst Ostern sehen ihre Tiere und die Menschen im Artemishof sie wieder. Ihr Werk weiß sie in der Zwischenheit in guten Händen. Es haben sich seit der ersten Veröffentlichung über ihren Hof nämlich Enthusiasten gefunden, die das Projekt der mutigen Frau fortsetzen wollen.