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Schicksal

Schwerkranke 73-Jährige fleht den MDK an

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Elfriede Zühlsdorf hat lange ihren Partner gepflegt, jetzt braucht sie selbst Hilfe. Doch für professionelle Unterstützung reicht der Pflegegrad nicht.
Veröffentlicht:23.09.2021, 08:10

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Zeit ihres Lebens hat sich Elfriede Zühlsdorf um andere gekümmert; zunächst als Melkerin um die ihr anvertrauten Kühe im Stall. Später war sie nach einer Umschulung als Krankenschwester für die Klienten eines ambulanten Pflegedienstes verantwortlich. „Ich habe mich auf Arbeit nie geschont und ‚nebenbei‘ noch fünf Kinder großgezogen“, erzählt die gebürtige Brüssowerin ohne Groll. Doch als sie endlich mit 64 ihren wohlverdienten Ruhestand genießen wollte, habe ein Unglück das nächste gejagt, setzt die Uckermärkerin leise hinzu.

„Zuerst starb mein zweiter Mann“, resümiert die Witwe traurig. Als sie daraufhin aus ihrer Wahlheimat Lübeck nach Prenzlau zurückging, erfuhr sie, dass ihr erster, geschiedener Mann zum Pflegefall geworden war. „Wir sind über 20 Jahre verheiratet gewesen. Sein Schicksal ließ mich nicht kalt. Also habe ich ihn zu mir genommen und betreut.“ Eine dramatische Wende brachte wenig später allerdings seine Coronaerkrankung, wegen der er mehrere Wochen im Krankenhaus behandelt wurde. „Ich war zwar auch positiv getestet worden, hatte aber keine Symptome“, erinnert sich Elfriede Zühlsdorf an Oktober 2020 zurück: „Doch dann brachte man ihn mir plötzlich wieder nach Hause. Angeblich genesen, aber die Leute vom Rettungsdienst, die ihn damals ablieferten, hatten Vollschutz an. „Ich hingegen konnte mich gar nicht schützen.“ Sie vermutet, dass sie sich abermals infizierte.

Nicht ohne Sauerstoff

Fest steht, dass Monate später von der einst so agilen, lebenstüchtigen Frau nur noch ein Hauch geblieben ist. Die 73-Jährige muss rund um die Uhr Sauerstoff inhalieren. Das Gerät mit dem langen Schlauch ist ihr ständiger Begleiter in der Wohnung geworden. Raus traut sie sich gar nicht mehr, schon die kleinste Anstrengung verursacht akute Luftnot. „Ich kann mich nicht mal mehr alleine waschen“, resümiert sie bitter. Ihr Traum, endlich mal wieder zu baden und Haare zu waschen, bleibt unerfüllt.

Auf eigene Kosten habe sie schon eine Hauswirtschaftskraft angestellt, die für sie und ihren Ex-Mann das Nötigste erledige. „Doch ich bräuchte dringend Unterstützung bei der Körperpflege, dafür reicht mein Pflegegrad I nicht aus“, konstatiert sie nüchtern: „Wie es mir wirklich geht, kann der Begutachter vom MDK (Medizinischer Dienst) aber gar nicht wissen. Nach meinem ersten Antrag gab es nämlich nur ein kurzes Telefonat. Auf mein zweites Schreiben habe ich nicht mal eine Antwort bekommen.“

Dank an DRK

Ohne Menschen wie die DRK-Schwestern, die ihren Partner versorgen, und ihre Nachbarin Simone, die für sie einkauft und Essen zubereitet, hätte sie vermutlich schon jeden Lebensmut verloren.

„Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Man kann zusehen, wie ich dünner und dünner werde. Ich bräuchte dringend Ruhe und jemanden, der mich aufpäppelt, nachdem ich mich jahrelang für andere aufgeopfert habe. Aber den gibt es leider nicht.“ Elfriede Zühlsdorf stellt abschließend fest, dass um Corona immer so viel Gewese gemacht werde. „Aber wenn es konkret wird, beispielsweise bei der Nachsorge für Menschen wie mich, dann ist niemand zuständig.“

Sie hofft, dass der MDK ein Einsehen hat und ihr einen höheren Pflegegrad zugesteht, damit sie wieder zu Kräften kommen kann. Hendrik Haselmann vom MDK wollte sich aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen zwar nicht zum Einzelfall äußern, beruhigte aber insofern, als dass aktuell wieder überwiegend im Hausbesuch begutachtet werde. Bis zum 31. Dezember bestehe allerdings auch die Möglichkeit von Telefoninterviews.

25 Kalendertage avisiert

„Wir begutachten gemäß der gesetzlichen Fristenregelung. Bei einem Erstantrag auf ambulante oder stationäre Pflegeleistungen oder bei ambulanten Höherstufungsanträgen findet unser Hausbesuch innerhalb von 25 Kalendertagen nach Eingang des Antrags bei der Pflegekasse statt. Es kann bei vom Gesetzgeber bestimmten Fallgestaltungen jedoch auch schneller gehen oder bei Verzögerungen länger dauern. Die Terminplanung richtet sich nach der Dringlichkeit der Versorgungsnotwendigkeit. Länger kann und darf es auch bei gesetzlich befristeten Fällen bis zum Hausbesuch dauern, wenn es Verzögerungen gibt, die von den Antragsstellenden verursacht wurden.“

Auf die Frage, welchen Nachweis man für eine Hochstufung überbringen muss, erläuterte Haselmann: „Gegenüber dem Medizinischen Dienst ist kein Nachweis erforderlich, da der Antrag an die Pflegekasse zu richten ist.“ Bundesweit sei, so der Sprecher, 2021 bei den Aufträgen für Pflegebegutachtungen ein seit 2017 nicht dagewesener Anstieg zu beobachten, sodass die Erledigung aktuell eine echte Herausforderung darstelle. Deshalb erhöhe man gegenwärtig die Zahl der Pflegegutachter sowie der Assistenzkräfte weiter bedarfsgerecht.