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Uckermärker fordern:

Sprengt die Ketten der Hunde!

Prenzlau / Lesedauer: 5 min

Die angekündigten Änderungen in der Hundehalterverordnung stoßen auf geteilte Reaktionen. Schon bestehende Gesetze werden kaum durchgesetzt.
Veröffentlicht:21.08.2020, 16:36

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Nach dem Entwurf einer Neufassung der Tierschutz-Hundeverordnung soll auf den Hund gekommenen Bundesbürgern ab nächstem Jahr gesetzlich mindestens eine Stunde täglich Gassigehen mit ihren vierbeinigen Begleitern vorgeschrieben werden. So mancher Hundehalter wundert sich – entweder, weil sein Husky ungleich viel mehr als eine Stunde Bewegung braucht oder weil seine betagte Fellnase kaum noch zum langen Spaziergang zu bewegen ist.

Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) erklärt zum Anliegen der Änderungen, die 2021 in Kraft treten sollen, Haustiere seien keine Kuscheltiere. „Es gilt, eine artgerechte Haltung von Hunden sicherzustellen. Etwa, dass sie genug Bewegung bekommen und nicht zu lang alleingelassen werden. Die Anforderungen an ihre Haltung passen wir nun an Empfehlungen von Experten an. Damit sorgen wir für eine Verbesserung des Tierschutzes und des Tierwohls.“

Zustimmung und Skepsis bei Tierschützern

Ob damit Tierschutz und Tierwohl wirklich verbessert werden, das werten Fachleuten und Hundehalter in der Uckermark recht differenziert. „Wir sind immer froh, wenn der Gesetzgeber Verbesserungen im Tierschutz festlegt“, erklärt etwa Frauke Förster, Vorsitzende des Prenzlauer Tierschutzvereins. Doch drängt sie auf sinnvolle Änderungen. Denn das Bundes-Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Hundeverordnung von 2001 würden bereits sehr präzise Vorgaben zur Hundehaltung beinhalten. „Dort ist zum Beispiel ausreichender Freilauf außerhalb von Zwingern geregelt, ebenso wie der ausreichende Umgang mit Bezugspersonen je nach Rasse, Alter und Gesundheitszustand der Tiere“, erklärt sie.

Längst fällig sei jedoch ein Haltungsverbot der sogenannten „Kettenhunde“, also das dauernde Anleinen der Tiere. Doch selbst, wenn das durchgesetzt würde, hat Frauke Förster Bedenken, wie man dann mit diesen Tiere umgehe: „Was passiert dann mit ihnen? Solange solche Forderungen nur auf dem Papier stehen, ist das wenig sinnvoll. Das muss kontrolliert werden von Verantwortlichen, die sich nicht mit dem ersten Schein vor Ort zufrieden geben.“ Zudem befürchtet sie, dass Ausnahmeregelungen etwa bei Haltung von Hütehunden das Papier jetzt schon wieder verwässern könnten.

Hunde sind unterschiedlich

Pauschale Aussagen im Änderungsentwurf der Tierschutz-Hundeverordnung, wie die Forderung nach der täglich mindestens einen Stunde Gassigehen, sind aus Sicht von Ute Rott wenig sinnvoll. „Mit einem Welpen geht man nicht länger als fünf Minuten pro Lebensmonat spazieren, und bei gemäßigten Temperaturen höchstens dreimal täglich, abgesehen von kurzen Pipigängen“, weiß die Inhaberin der Hundeschule Forsthaus Metzelthin. „Eine trächtige Hündin, alte, kranke oder behinderte Hunde gehen auch viel kürzer und kommen sehr gut damit klar. Bei der Hitze, die wir jetzt hatten, geht kein vernünftiger Mensch mit seinem Hund zweimal eine Stunde spazieren, außer er kann das in den sehr frühen Morgenstunden erledigen.“

Auch sie bezweifelt die Durchsetzbarkeit solcher Vorgaben. „Wer soll das kontrollieren? Die Polizei? Das Veterinäramt? Das Ordnungsamt? Wenn dafür gesorgt werden soll, dass Hunde nicht stundenlang alleine eingesperrt werden, dann halte ich das natürlich für sehr gut. Aber auch hier gilt, dass die bestehenden Gesetze eigentlich vernünftig sind und leider nicht eingehalten werden, weil niemand das kontrolliert.“ Sie vermutet, dass dieser Entwurf in der Öffentlichkeit wieder in Vergessenheit gerät, wenn sich der derzeit aufgewirbelte Staub gelegt hat.

Qualzuchten werden abgelehnt

Einig sind sich die meisten darin, sogenannte Qualzuchten – also Hunde mit angezüchteten „Schönheitsmerkmalen“ wie kurzer Nase, wenig oder kein Fell – auf Ausstellungen zu verbieten. Ute Rott findet, dass Züchter so tatsächlich unter Druck gesetzt würden, endlich etwas zu ändern. „Wenn dazu kommt, dass Qualzuchten tatsächlich geahndet werden, wäre das sehr im Sinne der Hunde.“

Dem Templiner Tierarzt Dr. Alexander Genschow ist ein pauschales Verbot jedoch zu allgemein. „Dafür müsste der Staat in Listen festlegen, welche Rassen darunter fallen“, sagt er. Grundsätzlich begrüßt er es, wenn Gesetze für ein besseres Tierwohl ausgestaltet werden. Doch die Bestimmungen müssen umsetzbar sein. Die Hundehalter, die er kennt, gehen sehr fürsorglich mit ihnen vierbeinigen Familienmitgliedern um. Zudem verweist Dr. Genschow auf die soziale Funktion der Hunde. Einem betagten Menschen könne die Länge des Gassigehens nicht vorgeschrieben werden. Außerdem berücksichtige die eine Stunde frische Luft nicht rassespezifische Eigenarten der Tiere. Solche willkürliche Festlegungen seien wenig sinnvoll, weil nicht durchsetzbar.

Gesetze oft nicht umsetzbar

Konkretere Festlegungen im Gesetzestext wünscht sich auch Alexander Mamat manchmal, der sich beruflich um die Einhaltung des Tierschutzes im Landkreis kümmert. Der Veterinär-Ingenieur ist ein Tierfreund, zu dessen Familie Petro, ein zehnjähriger Kuvasz, gehört. Manche gesetzlichen Formulierungen seien praktisch kaum umsetzbar. Etwa solche, wie mehrmals am Tag sozialen Kontakt zum Tier zu halten. „Wir können nicht 24 Stunden am Tag die Hundehalter kontrollieren.“

Damit wäre sicher auch kein Hundehalter einverstanden. Auf einen anderen Aspekt macht Ute Rott aufmerksam. Sie bezweifelt, ob mit der Beschränkung auf eine betreuende Person für die Würfe von drei Hündinnen der Massenvermehrung Einhalt geboten werden kann.

Erst bestehende Regelungen durchsetzen

„Dazu müssten erst mal die bestehenden Gesetze durchgesetzt werden. Das bedeutet, dass Hinweisen auf Massenvermehrern nachgegangen wird. Das bedeutet wiederum Mehraufwand für die Veterinär- und Ordnungsämter, die personell und finanziell auch schon am Limit sind.“

Die erfahrene Hundetrainerin befürchtet, dass sich vermutlich nicht viel ändern wird „...für die Hunde, die ihr Leben lang 24 Stunden am Tag an der Laufleine oder im Zwinger sind, die acht bis neun Stunden in der Wohnung eingesperrt werden.“ Dazu müssten sich alle Halter und Züchter bewusst werden, „dass ein Hund kein Plüschtier ist, mit dem man machen kann, was man will, sondern ein Lebewesen, das konkrete Bedürfnisse hat. Und zu diesen Bedürfnissen gehört eben ein echter Anschluss an seine Menschen.“