Test beendet
▶ Uckermärkischer Eiffelturm gesprengt (mit Video)
Kleptow / Lesedauer: 4 min
Es war nur ein kurzer Knall. Dann quoll unter der Windkraftanlage bei Kleptow eine Rauchfahne hervor, bevor der Riese unaufhaltsam und laut rauschend auf eine Seite fiel. Für den Eigentümer, die Firma Enertrag, den Sprengmeister und die Einsatzkräfte hatte diese auf uckermärkischen Windfeldern ungewöhnliche Aktion ein gutes Ende genommen. Die kontrollierte Sprengung verlief wie geplant, niemand kam zu Schaden.
Neben Polizeikräften, die die Landesstraße 26 sicherten, waren 22 Einsatzkräfte der Brüssower Amtsfeuerwehr angerückt. „Die Kameraden hatten an verschiedenen Stellen rund um die Sprengstelle Stichstraßen und Wege gesichert. Sie mussten sicher sein, dass sich niemand zufällig noch auf den Feldern befindet“, erklärte Amtsbrandmeister Martin Buse. Zudem wären die Rettungskräfte sofort zur Stelle gewesen, wenn möglicherweise die in Sichtweite liegende Autobahn 20 beeinträchtigt worden wäre.
Routine für Feuerwehren
Für die Brüssower Feuerwehren war der Einsatz nichts Besonderes. Absperrmaßnahmen an Unglücksstellen auf den Straßen oder der Autobahn gehören zu ihrem Alltag. Doch eine Industriesprengung habe es bisher nicht in ihrem Einsatzgebiet gegeben, gestand Buse ein. „Wir arbeiten zwar seit Langem mit Enertrag zusammen“, erinnerte er an die zehn Angestellten, die tagsüber als Feuerwehrleute den Ortswehren zur Seite stehen und im Ernstfall mit ausrücken. Doch eine solch eine Sprengung hatten sie noch nicht begleitet.
Neu war diese Aktion auch für die Firma selbst. Und das nicht nur, weil das erste Mal auf diese Art eine Anlage zurückgebaut wurde. Ende 2015 war die wegen der Statikeigenschaften des Turmes „Space Frame“ genannte Anlage als europaweit erste eines neuen, im amerikanischen Konzern General Electric (GE) entwickelten Prototyps östlich von Prenzlau aufgebaut worden. Neu an dem mitsamt Rotor sich 200 Meter in die Höhe reckenden Giganten war die Konstruktion des Turmschaftes. Ein Stahlgittermast, der mit einer Kunststoffplane bespannt worden war. Mit etwas Fantasie erinnerte er an den 342 Meter hohen Eiffelturm, der allerdings ohne Plane auskommt. Als das Pariser Wahrzeichen 2015 restauriert wurde, hatten die Betreiber dort sogar zwei vertikale Windkraftanlagen installiert, die seitdem jährlich rund 10.000 kW/h Strom liefern und damit die Einrichtungen in der ersten Etage versorgen – und das noch auf viele Jahre.
Erstmals getestet
Nicht so der uckermärkische „Eiffelturm“, dessen Turmschaft nach der Testphase nun gesprengt wurde. Enertrag war das erste Unternehmen, das gemeinsam mit der GE Renewable Energy diese Konstruktion testete. Nach den Worten von Daniel Hölper gewinnen die beiden Firmen dem Test viel Positives ab. Primäres Ziel des Projekts sei es gewesen, zu erforschen, ob eine Stahlgittermastkonstruktion Kostenvorteile gegenüber herkömmlichen Betontürmen generieren kann, wie der Regionalleiter Nordbrandenburg der Enertrag-Projektentwicklung Deutschland Daniel Hölper erläuterte. Damit könnte der Turmschaft auf normalen Lkw ohne Überlänge transportiert werden. „Das hätte positive Auswirkungen auf die Gestehungskosten und auch einen Vorteil gegenüber der Bevölkerung. Denn gerade diese Überlängentransporte führen zu Behinderungen und Beschwerden, wenn sie durch Ortschaften müssen.“
Als Plane wurde Material verwendet, das sich bereits auf Stadiondächern und anderenorts bewährt hat. Für Windkraftanlagen allerdings müsse die Folie künftig stabiler werden, um den hohen Windlasten zu widerstehen. „So könnten auch Wartungsintervalle länger und damit wirtschaftlicher gestaltet werden“, erklärte Hölper. Er betonte die enge Zusammenarbeit mit GE Renewable Energy. So konnten unter anderem bauliche und elektrische Anpassungen im Turm durchgeführt werden, die künftig nutzbar sind. GE habe in der Uckermark die Windkraftanlage unter für ihre Kundschaft typischen Wind- und Witterungsbedingungen ausgiebig testen können und extrem viele Erkenntnisse gewonnen, die in eine mögliche künftige Serienproduktion einfließen würden.
Positives Testfazit
Alles in allem sei es ein guter Test unter Partnern gewesen, so der Projektleiter. Die Enertrag sei auch künftig offen für den Bau von Prototypen, „denn gesicherte Erkenntnisse lassen sich stets nur im Langzeitbetrieb gewinnen, und nur mit solchen Prototypen ist es möglich, den Kosten-Nutzen Vorteil künftiger Anlagen zu stärken.“
Eine neue “Space Frame“ will die Enertrag aber vorerst nicht bauen lassen, da der ursprünglich erwartete Kostenvorteil gegenüber Anlagen mit Betontürmen durch den Preisverfall bei den Betontürmen mittlerweile ausgeglichen ist. Der Rückbau des Prototyps verlief dank der engen Kooperation zum Beispiel mit der Abrissfirma Hagedorn, mit Polizei und Feuerwehr sowie den anliegenden Landwirten genau nach Zeitplan, hob Daniel Hölper hervor.
Damit kann unmittelbar im Anschluss an derselben Stelle eine neue Windkraftanlage mit derselben Maschine in der Gondel und den Rotorblättern des „Eiffelturms“ gebaut werden. Sie soll noch in diesem Jahr, dann aber mit einem Betonturm, wieder in Betrieb gehen.