StartseiteRegionalUckermarkUnfall heizt Debatte um Schwerlaster in der Uckermark wieder an

Radfahrerin verletzt

Unfall heizt Debatte um Schwerlaster in der Uckermark wieder an

Uckermark / Lesedauer: 7 min

Unfälle zwischen Lkw und Radlern endeten stets zum Nachteil der Radfahrer, so eine Templiner Stadtverordnete. Seit dem Unglück zuletzt hagelt es Kritik.
Veröffentlicht:06.01.2022, 16:17
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Der schwere Verkehrsunfall vom vergangenen Montag, bei dem in Templin eine 63-jährige Radfahrerin von einem Holztransporter erfasst und schwerst verletzt worden war, hat eine seit Jahren schwelende Diskussion zum Thema Schwerlastverkehr in den Kommunen neu entfacht. Nächtlicher Lärm, Straßenschäden, zu denen die Tonnen schweren Laster beitragen, aber auch die Sicherheit von Radfahrern, die sich die Straßen mit dem motorisierten Verkehr teilen müssen, dazu äußern sich kritische Stimmen aus der Bevölkerung, von kommunalen Verwaltungen, Verkehrsplanern oder auch Organisationen, die die Interessen von Radfahrern vertreten, der Uckermark Kurier berichtete.

„Mein erster Gedanke nach dem Unfall galt der immer noch fehlenden Westumfahrung in Templin“, spielte Birgit Bader, Stadtverordnete für die Partei Bündnis 90/Die Grünen und bekennende Radfahrerin, auf gescheiterte Pläne an, den Durchgangsverkehr aus der Stadt herauszubekommen. „Wenn sich Radfahrer und Lkw eine Straße teilen müssen, ist das einfach immer gefährlich. Unfälle enden dann immer zum Nachteil der Radfahrer“, sage sie. Ihr wäre es lieber, wenn es, wie andernorts, separate Verkehrswege für Radler gäbe oder sie sich wenigstens die Wege mit Fußgängern teilen könnten. Ihr ist dabei bewusst, dass dann eine Rücksichtsdebatte zwischen Radfahrern und Fußgängern geführt werden müsse. Für kommende Diskussionen wünscht sie sich „mehr Verständnis für die Schwächeren im Verkehr und weniger für den Zeitdruck, unter dem Lkw-Fahrer stehen“.

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Schwerlastverkehr, der durch die Innenstadt rollt, sorgt auch in Lychen schon seit 15 Jahren immer wieder für Beschwerden von Anwohnern wegen der Lärmbelästigung. Erst kürzlich hatten Touristiker angesichts der Dimensionen von einem „Dolchstoß“ für den Staatlich anerkannten Erholungsort gesprochen. Bürgermeisterin Karola Gundlach (parteilos) hatte erklärt, dass die Stadt nicht untätig gewesen sei und Anträge bei der Straßenverkehrsbehörde des Landkreises Uckermark gestellt habe. Befristet sei es gelungen, in dem Bereich aus Richtung Fürstenberg eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30  km/h genehmigt zu bekommen. Lediglich direkt im Zentrum sei das so geblieben. Die Bürgermeisterin berichtete von Verkehrszählungen, die stattgefunden haben. „Dabei kam heraus, dass der Lkw-Verkehr nicht so stark ist, als dass generell eine Geschwindigkeitsbegrenzung genehmigt werden kann.“ Petitionen seien ohne Erfolg geblieben. Ein Fahrverbot für Lkw auf einer Landesstraße sei ebenfalls nicht möglich. „Geschwindigkeitskontrollen durch die Polizei finden statt, allerdings nicht regelmäßig, mit Blick auf die personelle Besetzung der Polizei.“ Dass Lychen Staatlich anerkannter Erholungsort ist, spielt bei diesem Thema keine Rolle, erklärte Karola Gundlach.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Frank Zimmermann (parteilos), Bürgermeister der Gemeinde Boitzenburger Land, im Zusammenhang mit der Landesstraße 15 gemacht. „Auch uns wurde signalisiert, dass da verkehrsseitig nichts geht.“ Abgesehen von der Lärmbelästigung für Anwohner sieht er noch ein ganz anderes Problem im Zusammenhang mit dem Schwerlastverkehr: „Man muss sich nur den Zustand der L 15 in Richtung Lychen ansehen. Da bricht inzwischen die Oberfläche der Straße förmlich auseinander.“

Um Sicherheit von Schulkindern besorgt

Ärger mit rücksichtslosen Lkw-Fahrern ist auch ein Reizthema für Hartmut Schulz. Manche würden auf Tempolimits pfeifen, so der Ortsvorsteher von Gollmitz. „Wenn ich mit Tempo 50 durch den Ort fahre, würden sie am liebsten noch an mir vorbeifahren“, erzählte er. Seine Sorge gilt vor allem den Kindern im Ort, die nach der Schule die Hauptverkehrsstraße überqueren müssen, um in den Hort zu kommen. Vor Jahren hatte es in Gollmitz ein Tempolimit für Lkw von 30 Kilometern pro Stunde gegeben. „Das hat man wieder weggenommen, weil es angeblich nicht mehr ,begründet’ war“, ärgert er sich noch heute. Allen, die mit dem viel zitierten Spruch „Da muss erst etwas Schlimmes passieren“ argumentieren, gibt er recht. „Genauso sehen wir das alle in Gollmitz“, sagte er.

Den schlimmen Unfall in Templin betreffend kam aber auch Kritik und Unverständnis von einem Insider. Ein Uckermärker, der gern anonym bleiben möchte, weiß ganz genau, wie hoch die Verantwortung eines Fahrers großer Lkw ist. Der 57-Jährige ist seit 1987 Berufskraftfahrer. Seit vier Jahren sitzt er selbst hinter dem Lenkrad eines Holztransporters, kennt die Unfallstelle in Templin ganz genau. Der Radweg am Beethovenplatz befindet sich direkt neben der Straße, getrennt von dieser durch eine durchgehende weißen Sperrlinie. „Die darf von Kraftfahrzeugen auf der Straße auch nicht überfahren werden. Das lernt man schon in der Fahrschule“, sagte er. Mit solchen bis zu 16 Meter langen Holztransportern umzugehen, sei tatsächlich schwierig, erst recht in Situationen wie in Templin, wenn Radfahrer auf der Radspur fahren. „Wenn ich als Fahrer einschätze, dass es eng werden könnte, bleibt mir nichts anderes übrig, als hinter dem Radfahrer zu bleiben“, erklärte er. Nicht zuletzt auch deshalb, weil bei der kleinsten Lenkbewegung nach links ein Radfahrer aus dem Sichtfeld des Rückspiegels verschwinde, ebenso wie der Nachläufer, der der Lenkbewegung folgt und dabei auch noch ausschert.

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Das bestätigt auch Timo Marten. Er ist seit 1998 Fahrlehrer für Lkw, war selbst Ausbilder für Fahrlehrer und ist bei der Fahrschule Weber in Templin unter anderem für Lkw-Fahrschule zuständig. Er bringt Fahrschülern bei, welche Besonderheiten sie beachten müssen, wenn sie mit Zugmaschine und zweiachsigem Anhänger, die es im Gespann auf die stattliche Länge von insgesamt 18 Metern bringen, auf den Straßen unterwegs sind. „Seit 2020 gilt, dass beim Überholen von Radfahrern ein Sicherheitsabstand von 1,50  Meter einzuhalten ist. Außerhalb von Ortschaften sind es sogar zwei Meter. So bilden wir es in unserer Fahrschule aus. In der Prüfung ist das ein Durchfallgrund, wenn dieser seitliche Abstand nicht eingehalten wird“, stellte er klar. In der Praxis sei es deshalb schwierig, auf normal ausgebauten Straßen Radfahrer zu überholen. „Wenn ich auf meinem Fahrstreifen bleiben will oder muss, reicht der Platz nicht aus. Und dann muss der Lkw-Fahrer hinter dem Radfahrer bleiben“, sagte er. Als jemand, dessen Blick für solche Verkehrssituationen geschärft ist, muss er im Alltag häufig feststellen, dass der Sicherheitsabstand zu Radfahrern beim Überholen eben nicht eingehalten wird.

Ob dem Fahrer des Unglückslasters in Templin dieser Vorwurf zu machen ist, vermag Timo Marten nicht einzuschätzen. Dafür kenne er die Umstände des Unfalls nicht. Doch so oder so: „Dieser Unfall ist einfach nur tragisch. Das lässt sich nicht anders sagen“, brachte der Fahrlehrer seine Betroffenheit zum Ausdruck.

Fahrten durch Dörfer bevorzugt

Einer, der die Situation um die Holztransporte durch die Uckermark kennt, ist Egbert Rockel, einer der drei Geschäftsführer der Robeta Holz OHG in Milmersdorf. Viele der Laster mit polnischen Kennzeichen würden ihre Ladung kilometerweit aus dem Nordosten nach Süden und in den Südwesten bringen, beispielsweise nach Heiligengrabe in ein Papier- und Zellstoffwerk. Nicht auf Autobahnen, sondern auf dem viel kürzeren Weg über Landstraßen und auch durch die Städte und Dörfer.

Solche langen Transportwege vermeiden die Milmersdorfer, wo es nur geht. „Jeder Kilometer, jede Minute kostet Geld. Wir versuchen deshalb, unser Holz im Umland zu kaufen – aus Forstrevieren in Prenzlau, Reiersdorf, Templin, Lychen oder Neustrelitz. Wenn wir mal bis Ueckermünde oder nach Berlin fahren, ist das schon weit“, erklärte er. Die Fahrer ihrer Holztransportflotte werden jedes Jahr geschult, auch hinsichtlich des Sicherheitsabstandes zu Radfahrern beim Überholen. Nicht zuletzt gebe die Firma ihren Fahrern die Routen vor, auf denen sie fahren müssen. Soweit das möglich ist, sollen sie dabei die Durchquerung von Städten und Dörfern vermeiden.