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Bürgerwut in Drense

Uralte Esche soll nicht sterben

Drense / Lesedauer: 4 min

Lutz Gierke hält die Fällentscheidung für Behördenwillkür. Deshalb ruft er im Dorf zur Protestdemo auf. Er wünscht sich zivilen Ungehorsam.
Veröffentlicht:28.08.2019, 11:27

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Im kleinen Drense brennt die Luft. Seit dort die Information von der beabsichtigten Fällung der großen Esche am Dorfplatz durchgesickert ist, sind die Bewohner in Wallung. Landwirt Lutz Gierke, vor dessen Hof der uralte Baum steht, bastelt seit Tagen fleißig Plakate und macht gegen den behördlichen Erlass mobil. Auch ein Unterschriftenbuch hat der Bauer vorm Tor ausgelegt. Das bleibt nicht unbemerkt. Immer wieder halten Anwohner und auch Fremde an, um zu erfragen, was es damit auf sich hat. Der 54-Jährige käme nicht mehr zum Arbeiten, wenn er all seine Argumente für die Rettung der Esche jedes Mal aufs Neue vorbringen würde. Beim Besuch des Uckermark Kurier zählt er die wichtigsten Punkte auf.

„Dieser Baum ist nicht nur ein Schattenspender und ortsbildprägend. Nein, auch seine Funktion zur Verbesserung des Klimas möchte ich nicht unerwähnt lassen. Gerade angesichts der um sich greifenden Trockenheit sollte man doch jede Fällentscheidung ganz genau abwägen”, setzt er energisch hinzu.

Protestaktion geplant

Und genau das habe das zuständige Amt Gramzow nicht getan, ist der Unternehmer überzeugt. Deshalb will er nun gegen das erlassene „Todesurteil” mobil machen. Für kommenden Sonnabend hat Lutz Gierke eine Protestaktion geplant. In den sozialen Netzwerken rührt er bereits die Werbetrommel für den zivilen Ungehorsam. Am Sonnabend, dem 31. August, wird sein Naturbauernhof für Gleichgesinnte die Tore öffnen. Ab 17 Uhr sollen dort möglichst viele Menschen für den Erhalt des Baumes demonstrieren. Für Bratwurst und Bier will die Familie aus Drense sorgen.

Der zuständige Mitarbeiter des Amtes Gramzow nimmt diese Botschaft recht ungerührt zur Kenntnis. Vom Uckermark Kurier damit konfrontiert, wirbt Jirka Poltrock ganz sachlich um Verständnis für seine Entscheidung: „Die Esche ist massiv vom Brandkrustenpilz befallen. Da gibt es keine Rettung mehr. An der Fällung führt kein Weg vorbei, wenn der Baum nicht in absehbarer Zeit mal jemandem auf den Kopf fallen soll. Denn genau das steht zu befürchten.”

Kein Neuling in der Branche

Den Vorwurf, in völliger Unkenntnis beurteilt zu haben, wischt Jirka Poltrock entschlossen bei Seite: „Ich bin doch kein Neuling auf diesem Gebiet, sondern ein zertifizierter Baumkontrolleur mit jahrelanger Berufserfahrung.” Vor seiner Einstellung beim Amt Gramzow habe er diesen Job beim Landesbetrieb für Straßenwesen gemacht. Auch da habe es ab und an Proteste gegen Fällungen gegeben, sagt Poltrock. „Ich versuche, das nicht persönlich zu nehmen”, setzt er nachdenklich hinzu. Was die Demo vom Wochenende anbelangt, ist ihm natürlich klar, dass er diese nicht verhindern kann. „Aber es wird vermutlich nichts an der Entscheidung ändern. Außer der Amtsdirektor nimmt das auf seine Kappe und sagt, dass die Esche trotz aller Sicherheitsbedenken stehen bleibt. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Wir haben schließlich als Kommune die Verkehrssicherungspflicht, also dafür zu sorgen, dass niemand zu Schaden kommt. Und hier ist Gefahr im Verzug, auch wenn es für Laien nicht den Anschein hat. Noch bekommt der Baum ja Nährstoffe, ist also grün. Doch die Wurzeln dürften längst massiv befallen sein.”

Gegengutachter gewollt

Genau das bezweifelt Lutz Gierke. Er ist momentan dabei, einen Gegengutachter aufzutreiben. „Ich habe jetzt auch erfahren, dass es in Bayern wohl eine Stelle gibt, die sich für uralte Bäume einsetzt. Die versuchen wir ins Boot zu holen.” Während er das im Interview erzählt, kommt ein älterer Herr vorbei und zeigt eine vergilbte Schwarz-Weiß-Aufnahme. Das Foto ist 70 Jahre alt und bei der Hochzeit seiner Eltern entstanden. Mit Bürgermeister Franz Baumgartner an der Spitze schritten Ida und Hubert Rach 1939 als Brautpaar an der Esche vorbei. Und schon da hatte die einen dicken Stamm. „Im Ort sind wir überzeugt, dass der Baum mindestens 250 Jahre auf dem Buckel hat. Für den muss es doch eine Rettung geben...” Lutz Gierke betont, dass er sich für die Esche persönlich verantwortlich fühle: „Die hat mich mein ganzes Leben lang als Freudenspender begleitet. Jetzt revanchiere ich mich.” Der Uckermärker würde sich wünschen, dass noch mehr Menschen Verantwortung zeigen und den Mut haben, aufzubegehren. „Immer schlucken wir nur, was Behörden verordnen. Langsam reicht's!”