StartseiteRegionalUckermarkVerhinderte Truckfahrerin blüht dank neuer Leidenschaft auf

Schicksal

Verhinderte Truckfahrerin blüht dank neuer Leidenschaft auf

Templin / Lesedauer: 3 min

Eine Lkw-Fahrerin sattelt um. Nicht ganz freiwillig. Mit ihrem neuen Hobby bekämpft sie ihr Fernweh.
Veröffentlicht:16.07.2019, 12:39

Artikel teilen:

Karola Menzner aus Templin ist eine Frau mit Männerpower. Nur eben gewaltsam ausgebremst. Eine Lungenkrankheit verhindert, dass sie weiter auf dem Bock sitzt und als Fernfahrerin 40-Tonner durch Europa chauffiert.

„Fahren, das ginge fast noch“, gesteht die 61-Jährige. Aber 32 Europaletten rein- und raushieven, wenn auch mit Technikunterstützung, das viele Rennen – dafür reichte die Puste einfach nicht“, bedauert die Frau, die heute mit einem Sauerstoffgerät immer wieder Luft tanken muss. Traurig fügt sie an: „Dabei hatte ich mir doch so einen Narren gefahren“.

Traumberuf unerreichbar

„Ich war schon früher ein Vagabund, von Kindesbeinen von Fernweh getrieben“, erzählt sie. In den Ferien machte sie sich so manches Mal trampend oder mit dem Pony aus dem Staub. Sie lernte zwar brav Schriftenmalerin. Ein Lkw-Führerschein schien damals nicht drin. „Mädchen wurden dafür nicht delegiert“, erzählt sie.

Neue Freiheit nach 1990 genutzt

Die neu gewonnene Freiheit nach 1990 packte die Uckermärkerin beim Schopfe. Sie machte ihren Führerschein, versuchte sich zunächst als selbstständige Fuhrunternehmerin in Berlin, stieg später bei einer Firma in Hessen als Kraftfahrerin ein. Das Gefühl, auf sich allein gestellt zu sein, auf langen Touren alles selbst entscheiden zu dürfen, die Herausforderung, ganz allein als Frau auf den Lkw und seine wertvolle Ladung aufpassen zu dürfen, all das sei wie eine Sucht gewesen. „Dabei war ich nicht mal der Brummifahrer, der darauf aus war, fremde Länder zu erkunden. Ich bin zum Feierabend nicht mal in die Städte gegangen, die ich bereist habe“, erzählt sie. Ihr Truck, das rollende „Einfamilienhaus“, sei ihr genug gewesen. „Ich habe im Lkw sogar besser geschlafen als zu Hause.“

Keine Angst auf fremden Straßen

Angst habe sie nie gehabt auf fremden Straßen, in fremden Ländern, auf dunklen Parkplätzen. „Ich hatte doch elf Jahre sogar meinen Rottweiler dabei“, erzählt sie. Nur die Rastplätze auf den Autobahnen mied sie, so gut es ging. „Da kommst du nicht zur Ruhe, alle fünf Minuten fährt da einer an und ab.“ Und bei den Betrieben, zu denen sie ihre Last fuhr, gab es meist eine Dusche.

Zu wenige Parkplätze für Truckfahrer

Die Suche nach Rast- und Pausenplätzen – vor allem auf Landstraßen – gestaltete sich schwierig. „Es fehlt einfach an Parkplätzen. Kein Wunder, wenn Brummifahrer mal ihre Lenkzeit überschreiten“, sagt sie. Das habe nicht zwangsläufig was mit dem Termindruck zu tun, stellt Karola Menzner klar. Die Fahrer wüssten oft einfach nicht, wohin mit ihrem Truck. Denn wer riskiere schon freiwillig, beim dritten Mal mit 15 Minuten drüber erwischt zu werden und damit ein fünfstelliges Bußgeld, räumt sie mit Klischees auf.

Lkw-Fahrerdasein nur mit Leidenschaft

Dass Arbeitgeber landauf landab nach Kraftfahrern suchten, wundert sie nicht. „Für das Lkw-Fahren muss du geboren, sein. Freitagabend Disko – das schaffst du nicht, Sonnabend zu Hause und Sonntag schon wieder los. Partnerfreundlich ist das nicht. Das machst du nur mit Leidenschaft oder gar nicht“, sagt die Frau, die sich zum Ende ihres Berufslebens wieder in der Nähe ihrer Heimat, der Uckermark, Jobs suchte, auch wenn sie hier bald 1000 Euro weniger auf die Hand bekam.

Neue Leidenschaft gefunden

Inzwischen musste sie Rente beantragen und sich eine neue Leidenschaft suchen. „Die Idee dazu kam mir im wahrsten Sinne des Wortes im Schlaf“, sagt sie. Seit zwei Jahren macht sie sich ihre grafischen Kenntnisse, ihre Fähigkeit zum „Denken in Negativbildern“, zunutze. Unter ihren geschickten Händen entstehen mit der Stichsäge kunstvolle Bilder und Porträts. Beim Dorffest in Hindenburg zeigte sie eine kleine Ausstellung: Hunde, Katzen, Popstars... ein Truck war selbstverständlich dabei.