StartseiteRegionalUckermark„Versagerin“ von einst macht ihren Weg

Lob für Prenzlauer Chef

„Versagerin“ von einst macht ihren Weg

Prenzlau / Lesedauer: 3 min

„Mit 16 ist niemand perfekt“, sagt Kathrin Gerber: „Doch viele Vorgesetzte erwarten genau das.“ Sie wäre deshalb fast in der Uckermark gescheitert.
Veröffentlicht:30.05.2020, 11:07

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Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Das bekam Kathrin Gerber vor 22 Jahren oft zu hören, wenn sie sich über ihren Ausbildungsplatz bei der Bundeswehr beklagte. Lange herrschte schließlich die Meinung vor, dass man sich als Azubi zu fügen hat. Punkt. Gerade in Zeiten, als Lehrstellen noch knapp waren, standen die Befindlichkeiten des Berufsnachwuchses oft hinten an. Eine gut dotierte zivile Ausbildung beim Heer schien vielen als der Glücksgriff schlechthin. Dafür sollte man ruhig drei Jahre die Zähne zusammenbeißen. Doch all das konnte und wollte Kathrin Gerber nicht. Vor allem mit ihrem ersten Chef tat sich die Schulabgängerin schwer, wie sie ein Viertel-Leben später sagt. „Vielleicht stimmte bei uns ja einfach die Chemie nicht”, vermutet die 38-Jährige heute: „Irgendwie konnte ich es ihm nie recht machen, kam mir immer dumm und unfähig vor – wie eine Versagerin. Mein Selbstwertgefühl war zu diesem Zeitpunkt im Keller.” Die Gründe dafür kennt sie bis heute nicht. „Ich war halt eine völlig normale Jugendliche, nicht perfekt. Aber wer ist das mit 16 schon...?”

Zahnarzt Andreas Beimler

Was Kathrin Gerber mit Bestimmtheit weiß, ist, dass sie die Lehre vermutlich nicht geschafft hätte, wenn nicht ein neuer Vorgesetzter in ihr Leben getreten wäre. „Aber genau dieses große Glück hatte ich ein halbes Jahr vor meinem Abschluss”, erinnert sich die Mutter von zwei Töchtern (7, 14) schmunzelnd zurück. Mit Zahnarzt Andreas Beimler änderte sich für sie alles, resümiert Kathrin Gerber dankbar: „Bis dahin hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass es so tolle, herzensgute Menschen im Berufsleben gibt.” Nur weil er so fest an sie geglaubt habe, sei die Prüfung als Zahnarzthelferin später fast ein Kinderspiel für sie gewesen. „Er hat sich so viel Zeit mit mir genommen, mich stets aufs Neue motiviert und mir sogar eine Schwester – sie hieß Marlies – an die Seite gestellt, damit ich mir viel abgucken konnte. Ich durfte mich ausprobieren und musste nie Angst vor den Folgen haben, wenn mal etwas schief ging. 'Alle fangen mal klein an' – hat er immer gesagt”, bilanziert sie im Gespräch mit dem Uckermark Kurier.

Sprungbrett Bundeswehr

Obwohl in ihrem Leben seitdem viel passiert sei, erinnere sie sich noch immer gern an diesen Abschnitt in Prenzlau zurück, stellt Kathrin Gerber heraus: „Andreas Beimler war ein Chef, wie ich ihn meinen Kindern später mal wünschen würde.” Sein Verdienst sei es auch gewesen, dass sie nach dem Abschluss nicht sofort das Handtuch schmiss bei der Bundeswehr, sondern sich später als Zeitsoldatin verpflichtete. Die Zeit in der Uckermark-Kaserne war im weitesten Sinne ihr Sprungbrett bei der Bundeswehr. Sie schreckte weder vor der schweren Grundausbildung noch vor späteren Auslandseinsätzen zurück, sondern verfolgte ihr Ziel, eine Feldwebel-Laufbahn einzuschlagen und sich zur Zahntechnikerin zu qualifizieren.

Praxis gegründet

Doch dann kam die Liebe und brachte alles durcheinander. Sie ließ einer Kameradin den Vortritt, als sich eine feste Stelle in Prenzlau bot und zog später mit ihrem Lebenspartner nach Mecklenburg-Vorpommern zurück. Über den Berufsförderungsdienst absolvierte sie eine Ausbildung zur Ergotherapeutin. Mittlerweile hat Kathrin Gerber eine eigene, gut laufende Praxis in Eggesin, die am 1. Juni ihr einjähriges Bestehen feiert. „Das alles wäre nicht möglich gewesen, wenn es nicht vor 22 Jahren in Prenzlau Zahnarzt Andreas Beimler und später den Beistand meiner Familie gegeben hätte”, sagt sie dankbar. Diese Menschen hätten sie stark und erfolgreich gemacht.