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Männerdomäne

Zierliche Prenzlauerin steuert einen fetten Kühltruck

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Lisa Rebenstock hat lange gebraucht, bis sie den passenden Beruf fand. Mit 450 PS unterm Hintern glaubt sie im Job endlich angekommen zu sein.
Veröffentlicht:16.07.2020, 15:07

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Für Lisa Rebenstock ist die Nacht in der Regel zu Ende, wenn die meisten Menschen zu Bett gehen. Sie verdient als Lkw-Fahrerin im erweiterten Nahverkehr ihre Brötchen und startet in jeder zweiten Woche ganz, ganz früh. Seit Oktober letzten Jahres fährt die Uckermärkerin mit einem 450-PS starken Kühl-Truck durch die Lande. Die 28-Jährige steuert mit Gefriergut, Obst und Gemüse an Bord die Supermärkte der Region an. Die Prenzlauerin ist als Frau damit in einer absoluten Männerdomäne unterwegs. Statistisch gesehen sind nur 1,6 Prozent der Lkw-Fahrer in Deutschland weiblichen Geschlechts. Gefragt, wie man als Frau so einen ausgefallenen Berufswunsch entwickelt, kommt wie aus der Pistole geschossen zur Antwort: „Daran ist mein Papa schuld.” Rebenstock Senior arbeitet bis heute als Trucker und ist seit jeher das große Vorbild seiner Tochter. Bei seinem Mädchen sollten trotzdem erst etliche Jahre ins Land gehen, ehe es hinters Steuer fand.

Mehr Verdienst

„Ich habe schon eine bewegte Biografie aufzuweisen”, verrät die junge Frau lachend: „Meine allererste Station war eine Milchviehanlage. Doch dort war ich den Chefs zu klein und zu zierlich für den Job.” Es folgte eine Ausbildung in einem Einrichtungsmarkt. „Da war es gar nicht schlecht”, sagt Lisa Rebenstock rückblickend: „Aber den ganzen Tag so viele Menschen um mich haben, das wollte ich nicht wirklich.” Sie brach die Lehre ab und ging für ein Telekommunikationsunternehmen nach Neubrandenburg. Dort merkte die Prenzlauerin dann, dass etwas mehr Verdienst nicht schlecht wäre, also wechselte sie in die alten Bundesländer. Doch auch in Frankfurt/Main war nicht alles Gold, was glänzte. Nach einer Anstellung in einem kalten Datenarchiv schmiss Lisa Rebenstock erneut das Handtuch und wurde bei der Arbeitsagentur vorstellig. „Da fragte man mich dann zum ersten Mal, was ich wirklich machen will”, erinnert sich die Truckerin dankbar zurück: „Ich habe geantwortet, dass ich am liebsten hinter einem Lenkrad sitzen würde.” Gesagt, getan.

Crashkurs belegt

Die Prenzlauerin belegte einen Crashkurs als Kraftfahrerin und stürzte sich nach bestandenem Abschluss in die Arbeit. „Ich merkte schnell, dass das wirklich meine Welt ist.” Womit sie klar kommen musste, waren allerdings die rauen Sitten, resümiert sie nachdenklich: „Vor allem in meiner ersten Stelle, wo ich für einen Molkereidienst fuhr, musste ich mir viele dumme Sprüche gefallen lassen. Das ging eine Zeitlang gut. Ich bin zum Glück nicht auf den Mund gefallen. Dann beschloss ich aber für mich, dass ein netteres Arbeitsklima auch ganz angenehm wäre.”

Das glaubt Lisa Rebenstock nun gefunden zu haben. „Die Mischung der Fahrer hier passt. Viele sind in meinem Alter oder sogar jünger. Im Schnitt um die 30, würde ich mal schätzen. Das macht sich um Umgangston bemerkbar. Das ist doch eine andere Generation Männer, viel aufmerksamer zu mir als Frau und auf jeden Fall netter.” Deshalb freut sie sich besonders auf die Nachtschichten, die sie im Wechsel mit dem zweiten Fahrer auf „ihrem” Mercedes-Truck schiebt.

Dazugehörigkeitsgefühl

„Da hat man im Warenlager den meisten Kontakt zu den anderen. Das ist jedesmal ein herzliches 'Hallo' und 'Wie geht's?'. Das gibt einem wirklich das Gefühl, dazu zu gehören.” Was schwere körperliche Arbeit anbelangt, werde ihr Beruf von Außenstehenden vielleicht überschätzt, vermutet Lisa Rebenstock: „Sicher muss ich Ware be- und entladen, aber dafür habe ich ja eine elektrische Ameise. Kraft kostet lediglich das Nachjustieren der Paletten. Da sind meine männlichen Kollegen vielleicht im Vorteil. Aber auch ich bleibe durch den Job gut fit und in Form. Auf meine 10 000 Schritte pro Tag komme ich gewiss.” Die Nachtarbeit hat für sie nur einen Nachteil: „Ich lege mich schlafen, wenn die anderen wach sind. Also wenn es ringsum lauter wird. Und weil ich seit kurzem direkt an einer vielbefahrenen Bundesstraße wohne, fällt es mir dann trotz Müdigkeit manchmal schwer, die Augen zu zu machen. Aber langsam gewöhne ich mich an den Rhythmus.” Lisa Rebenstock ist zuversichtlich, mit dem Leben als Truckerin die richtige Entscheidung getroffen zu haben: „Ich könnte mich wohler nicht fühlen.” Mit auf Tour geht übrigens immer ein süßer, kleiner Eisbär – passend zur Kühlmaschine. Es ist ein Geschenk ihres Freundes, der – wie könnte es anders sein – ebenfalls Lkw-Fahrer ist.