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Getötete Leonie

Mordverdächtiger David H. war zu schnell für Polizei

Torgelow / Lesedauer: 3 min

Caffier hatte sie zur Chefsache erklärt – die Peinlichkeit, dass Polizeibeamten der mutmaßliche Kindermörder David H. innerhalb der Polizeiräume einfach weggelaufen ist. Warum konnte keiner der Polizisten folgen?
Veröffentlicht:04.02.2019, 06:26

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Es war ein Mix aus Erstaunen, Verwunderung und einer Prise Ungläubigkeit: „Der war verdammt schnell“, sagte Claudia Tupeit, Sprecherin des Polizeipräsidium Neubrandenburg, achselzuckend – und versuchte damit zu erklären, warum am Abend des 14. Januars der Stiefvater der getöteten Leonie nach einer Vernehmung im Polizeihauptrevier Pasewalk den Beamten abhauen konnte.

David H. war einfach schneller, nach 300 Metern machten die Polizisten schlapp, die Spur des mutmaßlichen Kindermörders verlor sich in der Dunkelheit.

„Polizisten müssen fit sein“

Die Polizei war an jenem Abend schnell aus der Puste. Dabei wird körperliche Fitness bei den Einstellungskriterien durchaus großgeschrieben. Tenor: „Polizisten müssen fit sein“. Doch was heißt das konkret? Ein Wendelauf, ein Sprunglauf, Klimmzüge und ein Konditionstest über einen Hindernisparcours müssen absolviert werden. Je nach Zeit oder Anzahl der Wiederholungen gibt es maximal 75 Punkte zu erreichen.

Bestanden hat den Test aber bereits jeder Teilnehmer, der die Note 4 oder besser schafft. Die Note 4 entspricht 25 Punkten. Mit anderen Worten: Wer nur ein Drittel der Maximalpunktzahl kassiert, besitzt die körperlichen Voraussetzungen, um auf Verbrecherjagd zu gehen.

Pflicht: Deutsches Sportabzeichen

Wird nun berücksichtigt, dass Polizeibewerber ihren Fitnesstest in jungen Jahren absolvieren – wie sieht es im fortgeschrittenen Alter mit Laufen und Springen über Stock und Stein aus? „In der Landespolizei besteht die Pflicht, regelmäßig das Deutsche Sportabzeichen abzulegen“, antwortet das Innenministerium in Schwerin.

Und welche Anforderungen stellt das Sportabzeichen an die Polizisten? Ein 45 Jahre alter Polizist beispielsweise müsste 50 Meter in 10 Sekunden (Frauen: 11,5) und 3000 Meter in 22 Minuten und 10 Sekunden (Frauen: 24 Minuten und 40 Sekunden) bewältigen. Klingt eher nach gemütlichem Freizeittempo, bei dem noch ein Plausch gehalten werden kann.

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Und noch etwas lässt aufhorchen: Christian Schumacher, MV-Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, weist darauf hin, dass das Deutsche Sportabzeichen lediglich alle drei Jahre absolviert werden müsste. Schumacher sagt aber auch, dass die Polizisten schon versuchen, sich einigermaßen fit zu halten.

Innerhalb des Polizeidienstes würden regelmäßig Sportstunden auf dem Programm stehen. Das Problem: Aufgrund der oftmals dünnen Personaldecke müssten zunächst alle Dienste abgesichert werden – da könnte der Sport laut Gewerkschaftschef schon mal hinten herunterfallen.

Leonie in Wolgast beigesetzt

Aber was droht den verantwortlichen Polizeibeamten, denen David H. fortgelaufen ist und die ihm nicht folgen konnten? Christian Schumacher: „Die Maximalstrafe ist die unehrenhafte Entlassung aus dem Polizeidienst – inklusive des Verlustes aller ursprünglich erworbenen Pensionsansprüche.“ Aber: Grundsätzlich, so Schumacher, sei nicht Bestrafung, sondern Besserung das Ziel.

Während die Aufarbeitung der Flucht und die Ermittlungen nach der Bluttat laufen, ist die getötete Leonie am Sonnabend unter großer Anteilnahme in Wolgast beerdigt worden.