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Kommentar zur Amthor-Verhöhnung

Niederträchtige Klassenkeile - mehr kann Böhmermann nicht

Berlin / Lesedauer: 3 min

Weil Jan Böhmermann ach so subversiv ist, darf man offenbar beruhigt mitgrölen, wenn er den medialen Mob zur Klassenkeile für den Streber aufruft. Ein Kommentar des stellvertretenden Nordkurier-Chefredakteurs.
Veröffentlicht:24.11.2017, 18:56
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Jan Böhmermann wundert sich. Was bei diesem weltläufigen Feingeist ja nicht so oft vorkommt. Er betrachtet also eingehend dieses Foto aus einer anderen Welt fernab der Zeitgeist-Hotspots, an denen Erfolgstypen wie er sich eben so herumtreiben, Orten also, an denen die Menschen die Eleganz haben, ihm, dem wunderbaren Jan Böhmermann, ein wenig zu ähneln.

Alle sind sie dort so wunderbar individuell und tolerant und weltoffen und ja, auch einfühlsam, und bestimmt sieht keiner so bescheuert aus, wie es nach Meinung Böhmermanns der junge Mann aus Vorpommern auf dem Foto tut, nämlich unsagbar spießig und mithin einfach nur peinlich. Böhmermann bekommt gar nicht genug davon. Labt sich an der Hornbrille, für die wahrscheinlich mehrere Nashörner sterben mussten, der Frisur aus dem Salon „Mamas Liebling”, diese Dinge sagt Böhmermann zwar nicht, dafür aber sein Gesicht, er genießt seinen befremdeten Ekel ob des Antlitzes von CDU-Jungstar Philipp Amthor, der mit 24 Jahren in den Bundestag gewählt wurde.

Gesinnungsscharfrichter Böhmermann lässt das Fallbeil sausen

Nun sitzen in diesem Bundestag ja über 700 Menschen, und weil sie das Volk repräsentieren sollen, gibt es da viele unterschiedliche Menschen, dicke und dünne, Schwule und Lesben, junge und alte, und einige haben auch Hornbrillen, einige sind altklug, einige hochnäsig, manche bescheiden, es gibt sogar grüne Abgeordnete und blaue und schwarze und rote. Ein buntes Volk, unsere Parlamentarier.

Aber wehe, du bist zu normal. Wehe, du wirkst wie ein Spießer aus Vorpommern. Und dreimal wehe, du bleibst dir selbst treu, weil du schon immer diese dicke Brille hattest, diese brave Frisur und die gleiche Anzugsgröße wie bei deiner Konfirmation. Denn dann kommt dieser hochintelligente und höchst demokratische Gesinnungsscharfrichter Böhmermann und lässt das Fallbeil sausen, wie eine Trophäe präsentiert er den Kopf des Delinquenten, auf dass sein Publikum sich delektiere an der genüsslichen Ausgrenzung des Spießers als solchem.

„Wie hat er dieses Gesicht bloß über die Schulzeit gerettet”, wundert sich Jan Böhmermann, darauf spekulierend, dass das Publikum sich darüber mitwundert, warum Herrgottnochmal niemand diese Strebervisage demoliert hat. Oder wenigstens die Brille. Ja, wenn man für die richtigen Werte einsteht, dann darf man den Klassenstreber ruhig in eine finstere Ecke zerren und ihn zurechtbürsten. Und wenn man so ein supergeiler Typ wie Böhmermann ist, dann darf man sogar noch niederträchtige Witze über die Körpergröße seines Humor-Opfers machen. Nicht größer als ein DIN-A-4-Blatt könne der Amthor sein, befindet Böhmermann per Ferndiagnose.

Öffentlich-rechtlich subventionierte Verunglimpfungen

Nun kann man Philipp Amthor ja wirklich viel vorwerfen. Er kommt aus Ueckermünde, und das ist Vorpommern. Unerhört! Er hat einfach so ein exzellentes Abitur gemacht und sein Jura-Studium in Rekordzeit durchgezogen, anstatt sich wie Böhmermann für Soziologie und Fernsehwissenschaften und Trallala einzuschreiben und dieses Studium dann ordnungsgemäß abzubrechen, um sich hinfort von öffentlich-rechtlichen Sendegebühren in einem Spartenkanal eine Ausgangsbasis für künstlerische Verunglimpfungen aller Art zu erschaffen.

Amthor ist außerdem CDU. Und Merkel! Und dann kommt dieser Amthor einfach daher und gewinnt seinen Wahlkreis, obwohl den doch eigentlich die AfD haben wollte. Und das als junger Schnösel im überalterten Vorpommern. Geht gar nicht, aber die Leute dort sind halt so unsagbar dumm und nicht so schlau wie ein Böhmermann.

Zurück zur Frage, wie Amthor sein Gesicht über die Schulzeit gerettet hat. Die Antwort ist einfach: Es gab dort ziemlich wenig Böhmermänner.