StartseiteRegionalUeckermünde„Unhaltbare Zustände” in Betreutem Wohnen? Das sagt der Klinikbetreiber

Mutter empört

„Unhaltbare Zustände” in Betreutem Wohnen? Das sagt der Klinikbetreiber

Ueckermünde / Lesedauer: 4 min

Eine Frau aus Niedersachsen hat eine Welle der Empörung losgetreten. Sie machte das vermüllte dreckige Zimmer ihres Sohnes in Ueckermünde öffentlich. Der lebt in einer eigenen Wohnung, hat jedoch einen Betreuer.
Veröffentlicht:29.06.2021, 17:10

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Nach Vorwürfen einer Mutter über „unhaltbare Zustände” in einer betreuten Wohneinrichtung für psychisch Kranke und Menschen mit Behinderungen in Ueckermünde hat sich jetzt das Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommerns eingeschaltet. Laut einem Bericht des Nordmagazins hatte die Frau die Lebensbedingungen ihres Sohnes in dem Pflegehaus kritisiert und ein entsprechendes Foto ins Internet gestellt, das zeigt, wie sie auf einem Bett in einem vermüllten Zimmer in dem Pflegehaus in Ueckermünde sitzt.

Übler Geruch auf den Etagen des Hauses

Ihrem Sohn gehe es dort sehr schlecht, sagt sie: „Mein Sohn ist in einem desolaten Zustand: Keine körperliche Hygiene, der Ernährungszustand ist auch eine Katastrophe, das Zimmer ist eine Müllhalde – hygienisch bedenklich – ich glaube, da laufen auch Maden herum oder so”, hatte sie dem Betreiber der Einrichtung, einem großen Gesundheitsdienstleister, vorgeworfen. Auf den Etagen des Hauses rieche es nach Urin, Schweiß und Schimmel.

Ein Fall, der auch in Schwerin die Alarmglocken schrillen ließ. Wie Alexander Kujat, Pressesprecher des Sozialministeriums, auf Nordkurier-Anfrage informierte, erwarte Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) möglichst schnell einen Lagebericht. Bereits am Dienstagvormittag sei die Heimaufsicht zu einer Begehung in die kritisierte Einrichtung gekommen, dort solle „alles ganz gründlich untersucht und geklärt werden”, so Kujat.

Zimmer nicht ohne weiteres zu betreten

Es dürfe aber keine Vorverurteilung geben. „Es handelt sich in besagten Fall nicht um ein Klinikzimmer, sondern um ein Zimmer einer betreuten Wohngruppe. Das ist noch einmal anders zu betrachten. Dennoch muss und wird den Vorwürfen nachgegangen. Auch solchen wie dem Uringeruch”, betonte Kujat. Bereits am Montagabend, als die Vorwürfe öffentlich wurden, habe man sich mit der Heimaufsicht – für diese sei der Landkreis Vorpommern-Greifswald zuständig – in Verbindung gesetzt. Ob und inwiefern möglicherweise Kontrollpflichten verletzt seien worden, gelte es ebenfalls zu klären.

Und das wurde es auch, wie der Regional-Geschäftsführer der betroffenen Klinik-Gruppe, Stephan Freitag, am Nachmittag auf Nachfrage berichtete. Demnach seien Vertreter der Heimaufsicht des Kreises und des Gesundheitsamtes auf Kontrollgang gewesen. Ergebnis: „Keine Beanstandungen, alles normal”, fasste Freitag zusammen. Dass man dabei nicht in die Zimmer der Bewohner und selbstredend auch nicht in das im Netz dargestellte Zimmer des Mannes konnte, läge in der Natur der Sache. „Bei der Wohnform handelt es sich um sogenannte Eingliederungshilfen. Das Besondere daran ist, dass die Menschen mit psychischer oder seelischer Störung eine eigene Wohnung, in diesem Falle bei uns, anmieten können, wie andere Menschen auch, aber mit entsprechender Unterstützung zum Leben. Diese Räume sind ihre Privatsache. Und wir müssen diesen persönlichen Lebensbereich respektieren. Das ist ihr Recht. Das ist Gesetz.”

Schutz der Persönlichkeitsrechte

Also könnte man als Betreuer oder eben auch als Behörde wie jetzt bei der Begehung nur um Einlass bitten, und der eine oder andere würde dies auch gewähren, aber eben nicht jeder. Besagter Fall sei auch für die Betreuer „seit Langem unbefriedigend”. „Wir haben in den vergangenen Wochen schon alle Maßnahmen ergriffen, das Problem zu lösen“, so Freitag. Letztlich gebe es nur noch den Weg über das Amtsgericht. Eines müsse aber klar sein, betonte der Geschäftsführer: Die Persönlichkeitsrechte der Schützlinge hätten einen hohen Wert. Letztlich gehe es darum, den Menschen, die jetzt noch Schutz bräuchten, wieder ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Ob und was vielleicht bei der Heimaufsicht und den vorgeschriebenen Kontrollen schief lief, das ist offen. Bis jetzt gab es noch keine Informationen aus der Kreisverwaltung Vorpommern-Greifwald. Wie Anke Radlof von der Pressestelle auf Nordkurier-Anfrage mitteilte, prüfe man den Sachverhalt derzeit noch und werde, so rasch es gehe, Auskunft gegeben.

Die Frau aus Niedersachsen soll wegen unterlassener Hilfeleistung Anzeige wegen der aus ihrer Sicht „unhaltbaren Zustände” erstattet haben. Wo ihr Sohn jetzt ist, ist unklar.