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Torgelow

Unsere Leser erleben, wo’s heiß hergeht

Torgelow / Lesedauer: 4 min

VonLutz Storbeck So ein Rundgang durch ein Unternehmen kann sich hinziehen – oder auch recht kurzweilig sein. Für mehr als 20 Leser des Nordkurier, die ...
Veröffentlicht:18.04.2013, 02:18

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VonLutz Storbeck

So ein Rundgang durch ein Unternehmen kann sich hinziehen – oder auch recht kurzweilig sein. Für mehr als 20 Leser des Nordkurier, die sich in der Eisengießerei Torgelow umgesehen haben, verging die Zeit wie im Flug.

Torgelow. Aus der Uckermark, aus Pasewalk und Torgelow, sogar aus dem Westen Deutschlands waren sie angereist. Mehr als 20 Frauen und Männer, die auf Einladung des Nordkurier eines der größten Unternehmen der Region kennenlernen wollten. Die Eisengießerei Torgelow nämlich. „Das hat mich interessiert, wie es hier so aussieht und was hier produziert wird“, sagte zum Beispiel Petra Lehmann, die mit Ehemann Horst aus Gramzow gekommen war. Beide kennen sich durchaus aus mit Großbetrieben, denn beide haben bis zum Ruhestand bei Siemens in Berlin gearbeitet. Siemens – das war ein gutes Stichwort, denn diese Weltfirma zählt zu den Kunden der Torgelower Gießerei, aber auch solche Unternehmen wie Nordex, Vestas und jüngst auch Mitsubishi. Bei der Eisengießerei Torgelow werden Teile für Windkraftanlagen sowie für den Anlagen-Maschinen- und Getriebebau für Kunden weltweit gegossen.


In Empfang genommen wurde die muntere Besucherschar von Betriebsrat Karsten Lau. Vor dem eigentlichen Rundgang konnten die Besucher ein Modell sehen. „So sieht die Gießerei von oben aus“, erklärte Karsten Lau, zeigte auf die einzelnen Gebäude, erklärte deren Zweck und gab dabei so manchen Einblick in das Unternehmen.
Die Gießereitradition in Torgelow besteht schon seit mehr als zwei Jahrhunderten. Preußenkönig FriedrichII. hatte wegen der Raseneisenerz-Funde in der Gegend den Bau von Gießereien angeordnet, denn seine Armee brauchte zum Beispiel Kanonen. Die Qualität des Raseneisenerzes sei aber auf die Dauer nicht zufriedenstellend gewesen. Also ging man mehr und mehr zu anderen Rohstoffen über. Heute werden Roheisen und Stahlschrott geschmolzen. Bis Ende des Zweiten Weltkrieges hatten sich in Torgelow 14 Eisengießereien angesiedelt, zu DDR-Zeiten sei es ein großes Unternehmen gewesen.


Nach der Wende gab es mehrere Insolvenzen, seit 2004 habe sich die Gießerei dann mehr und mehr stabilisieren können, auch wenn es seitdem Rückschläge gab, die Produktion zeitweise wegen der wirtschaftlichen Situation rückläufig war. 430 Menschen stehen derzeit in Lohn und Brot, es gibt 50 Lehrlinge, sagte der Betriebsrat.
Weil die Besucher sich sehr wissensdurstig zeigten, musste Karsten Lau sehr
viele Fragen zu den Abläufen in der Gießerei beantworten. So erfuhren die Besucher, dass in Torgelow Gussstücke mit einem Gewicht bis zu 120Tonnen gegossen werden können. Dass eine Form, die aus Quarzsand und speziellem Kleber besteht, jeweils nur einmal verwendet werden kann, ein Modell, das aus Holz oder Kunststoff besteht, dagegen etwa 500-mal. Die Tatsache, dass in Torgelow die größte Handformgießerei Europas steht, war für viele Besucher neu.


Nachdem Karsten Lau schon vieles erklärt hatte, ging es durch die einzelnen Abteilungen der Gießerei. Die Besucher konnten erleben, wie flüssiges Eisen aus einer Riesen-Gusspfanne in eine Form gegossen wird. Und der elfjährige Hans Richard Knüppel, der gemeinsam mit Großvater Christian Schulz aus der Uckermark zur Besichtigung angereist war, staunte nicht schlecht, als er die riesigen und vor allem schweren Gussstücke sah. Weil es in den Hallen doch recht staubig und warm war, kamen dann auch viele Fragen zum Thema Arbeitsschutz. Ob die Mitarbeiter Masken tragen müssen, wie die ärztliche Betreuung aussieht und vieles mehr. Dazu konnte der Betriebsrat Auskunft geben.


Doch die Eisengießer in Torgelow können nicht nur riesengroß, sondern auch klein. Die Lehrlinge zum Beispiel haben früher unter anderem gusseiserne Pfannen hergestellt, haben die Formen und Modelle gebaut, dann die Teile gegossen. Das sei doch prima, fanden die Besucher, denn in solchen Pfannen lassen sich sehr gut Steaks und Bratkartoffeln „herstellen“. Nach der gut zweistündigen Besichtigung gab es Gelegenheit, bei einem kleinen Imbiss in der Gießerei-Kantine Eindrücke auszutauschen. „Also von den Arbeitsbedingungen her ist das hier eine vorbildliche Gießerei, da gibt es ganz andere negative Beispiele“, sagte Frank Wenzel. Allerdings sei die Bezahlung wohl eher unter dem Durchschnitt, denn würde sonst eine österreichische Unternehmensgruppe in Deutschland produzieren lassen?, fragte der Mann, der aus Baden-Württemberg stammt und durch die Vermittlung seiner Schwägerin zum Rundgang mitgekommen war. Es stellte sich heraus, dass der Mann die Materie sehr gut kennt. Bis 1991 hat er in der Gießerei Torgelow gearbeitet, ist dann in den Westen gegangen und hat dort bis zum Ruhestand eine Gießerei geleitet. „Das war eine gute und sehr interessante Sache“, waren sich die Besucher einig, und als Dank für die sehr fachkundige und interessante Führung gab es viel Beifall für Betriebsrat Karsten Lau.