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Naturfotografie

Wenn tausende Lachmöwen Seeadler mit Kot beschießen

Vorpommern / Lesedauer: 3 min

Möwen sind seit vielen Jahrzehnten keine reinen Meeresvögel mehr. Die Vielfalt der Arten ist enorm – hier ein paar Tipps, wie sie zu unterscheiden sind.
Veröffentlicht:07.02.2022, 11:59

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Wohl jeder kennt Möwen, die kraftvoll, gewandten Flieger, welche mit ihren gellend, jauchzenden Stimmen zum Bild der Ostsee, des Greifswalder Boddens, des Stettiner Haffs sowie den Seen und Flüsse von Vorpommern-Greifswald gehören. Der Dichter Christian Morgenstern behauptete, diese Vögel sähen alle aus, als ob sie Emma hießen. Nun, Morgenstern irrt. Denn allein zwischen Peenemünde, Pasewalk und Penkun leben, fliegen, fischen zehn verschiedene Möwenarten.

Möwen von 100 Gramm bis zwei Kilogramm

Ornithologen, also Vogelkundler, unterscheiden hier nochmals mit Klein- und Großmöwen zwei Gruppen. Der Unterschied ist schon enorm, da die kleinste Möwe, die drosselgroße Zwergmöwe nur rund 100 Gramm wiegt. Im Vergleich ist die Mantelmöwe ein wahrer Riese. Mit ihren gut zwei Kilogramm Gewicht, 66 Zentimetern Größe und 170 Zentimetern Flügelspannweite ist ein wahrer Raubritter, der plündernd durch die Brutkolonien von anderen Wasservögeln zieht. Allerdings: Mit diesen, beinahe monströsen Ausmaßen ist ihr der rasante, elegante Seevogelschnitt genommen und so ähnelt sie eher einer fetten Masthenne.

Zu den Kleinmöwen zählen die Drillingsarten wie die oben genannte Zwergmöwe, die Lachmöwe und die Schwarzkopfmöwe, die alle im Brutkleid eine dunkle Kopfzeichnung besitzen. Hinzu kommen die Sturmmöwe und die Dreizehenmöwe.

Komplizierter wird es bei den Großmöwen, wo bei der Artbestimmung selbst immer wieder Vogelfreunde in Schwierigkeiten geraten. Zwillingsarten sind hier die etwas kleinere Heringsmöwe und die Mantelmöwe, Deutschlands größte Möwe. Schaut man sich die beiden schwarzrückigen Arten etwas genauer mit dem Fernglas an, so hat die Mantelmöwe am gelben Schnabel ein rotes Signalzeichen den „Gonysfleck“, den man auch bei den drei silberfarbenen Arten findet.

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Zuwanderung von arktischen Möwen

In den 1990er Jahren erhielt eine Unterart der Silbermöwe einen eigenen Artstatus und wurde von den Biologen zur Weißkopfmöwe ernannt. Ihr Auftritt in der Nomenklatur währte nicht lang und so blieb nur die Silbermöwe. Hinzu kamen dann aber Anfang der 2000er Jahre die Steppen- und die Mittelmeermöwe. Diese Drillingsarten sind in freier Wildbahn sehr schwer zu unterscheiden. Nur Experten ist die Feldbestimmung der gefiederten Silberlinge in freier Wildbahn vergönnt, denn in den dunklen Jugendkleidern, die mehrere Jahre getragen werden, ist die Unterscheidung noch schwieriger.

Auch bei den Möwen gibt es übrigens Zuwanderung: Als Irrgäste aus arktischen Regionen konnten Ornithologen in Vorpommern die Polar-, Eis- und Schwalbenmöwe nachweisen.

Noch vor 150 Jahren waren die meisten Möwen echte Meeresvögel und ließen die Seefahrer aus tiefster Melancholie erwachen. Erblickten die Seeleute die Vögel am Himmel, wussten sie, dass Land nicht mehr fern war. Möwen sind am Meer nicht selten, doch die größte Möwenbrutkolonie Deutschlands befindet sich mit etwa 10.000 Lachmöwenpaaren im Stettiner Haff auf der Vogelschutzinsel Riether Werder.

Bis zu 20.000 Lachmöwen

Geführte Wanderungen über den Förderverein für Naturschutzarbeit Uecker-Randow-Region, der das Eiland betreut, sind für Naturfreunde unvergessliche Erlebnisse. Wenn dann ein Seeadler oder eine Rohrweihe flach über die Brutkolonie fliegt, erheben sich unter lautem Geschrei wie ein Schneegestöber über 20.000 Lachmöwen – und versuchen als Abfangjäger die Feinde mit Kotbeschuss zu vertreiben.