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Raubtier

Wolfsangriff am helllichten Tag an der polnischen Grenze

Gegensee / Lesedauer: 3 min

Offenbar werden die Raubtiere immer frecher. Nach einer Attacke auf Lämmer nahe der polnischen Grenze ließen sich die Tiere erst durch den Einsatz eines Rasenmäher-Traktors vertreiben.
Veröffentlicht:18.04.2020, 12:02

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Es war ein blutiger Morgen in Gegensee, der für Hobbyzüchter Roland Strunk (66) um 8 Uhr mit einer bösen Überraschung begann. Als er hinterm Haus nach seinen Tieren schaute, sah er auf seinem eingezäunten Grundstück drei große Wölfe. „Sie hatten einem Lamm den Kopf abgerissen, schleppten es gerade weg“, sagt der Rentner. Dass die Wölfe entdeckt worden waren, schien sie offenbar nicht weiter zu stören. Sie machten einfach weiter. „Deshalb holte ich meinen Rasenmäher-Traktor, öffnete das Gartentor, fuhr auf die Wölfe zu. Erst mit der Maschine konnte ich sie vertreiben“, sagt Roland Strunk.

Nur die Genprobe zählt – und die dauert Wochen

Der Mann hält seit mehr als 30 Jahren Tiere. 17 Schafe, 13 Enten, elf Hühner und drei Gänse blöken, gackern und schnattern über seinen Hof. „Wölfe waren schon bei fast allen meiner Nachbarn, aber ich habe bisher nichts gemerkt von den Viechern“, erzählt Strunk.

Beim Schweriner Agrar- und Umweltministerium ist der Vorfall bekannt, doch bisher fehle der letzte Beweis, der die Täter überführt. „Es wurden vor Ort Genproben genommen. Deren Auswertung wird mindestens drei Wochen dauern“, sagt Ministeriumssprecher Claus Tantzen. Der örtliche Wolfsbeauftragte Torsten Dinse zog in einem Gespräch mit Roland Strunk die Möglichkeit in Betracht, dass Füchse das Lamm gerissen hätten. „So ein Quatsch! Ich habe die Wölfe ja mit meinen eigenen Augen gesehen“, bekräftigt Strunk.

Freunde werden Roland Strunk und der Wolf jetzt nicht mehr. „Der muss wieder weg. Die kleinen Tierhalter sind immer mehr betroffen. Im vergangenen Jahr verlor ich mehr als 20 Hühner an den Fuchs. Das ist Natur, damit muss man leben“, steht für ihn fest. Strunk hofft, dass ihm der materielle Schaden von rund 200 Euro ersetzt wird.

Ministerium glaubt nicht an die offiziellen Wolfszahlen

Im vergangenen Jahr haben Wölfe im Land so oft Schafe, Rinder und andere Nutztiere angefallen und gerissen wie noch nie. Das Agrarministerium nahm für 2019 43 Tierrisse auf, bei denen 151 Nutztiere getötet und 54 Tiere verletzt wurden. Bis dahin galt 2018 als Spitzenjahr. Dort waren es 23 Attacken mit 162 getöteten und 42 verletzten Nutztieren. 2017 untersuchten die Behörden 28 Wolfsangriffe, denen 88 Nutztiere zum Opfer gefallen waren.

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Die Zahl der erfassten Wölfe im Nordosten stieg 2019 laut Ministerium von vier auf acht Rudel. Dazu kommen mehrere Wolfspaare und einige Einzeltiere. Jäger und Landwirte bezweifeln diese Zahlen. Sie vermuten in der Region mehr Wölfe, als in den offiziellen Statistiken. Agrarminister Till Backhaus (SPD) stimmt dem zu. „Wir gehen davon aus, dass sich über die bekannten Rudel und Wolfspaare hinaus weitere Vorkommen etabliert haben oder dabei sind, sich zu etablieren. Der Anstieg des Rissgeschehens, den ich mit großer Sorge wahrnehme, ist ein Ausdruck für die zunehmende Besiedlung auch des Landes Mecklenburg-Vorpommern durch den Wolf. Darum müssen wir jetzt sehr genau analysieren, ob es zu kritischen Verhaltensmustern der Tiere kommt“, sagt er. Beobachtungen sollten über die Webseite www.wolf-mv.de gemeldet werden.