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Uwe Saeger

Zauber allen Anfangs

Bellin / Lesedauer: 4 min

Allem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Veröffentlicht:23.06.2006, 00:00
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Diese Zeilen aus Hermann Hesses bekanntestem Gedicht „Stufen“ mögen für literarische Debüts insbesondere gelten. Das Neubrandenburger Literaturzentrum will bei seinem diesjährigen Sommerfest am kommenden Dienstag das 30-jährige Jubiläum von Uwe Saegers Start in eine schriftstellerische Existenz feiern. Manch einer wird solche Art feuilletonistische Erinnerungsmarke für übertrieben halten. Aber der Autor aus Bellin am Ueckermünder Haff war im Nordosten über viele Jahre der einzige Hoffnungsträger für die Generationen nach den Altvor deren (Sakowski, Wohlgemuth, Ebert etc.). Und der Ingeborg- Bachmann-Preisträger 1987 ist in dieser Landschaft von Kulturproduzenten ein singuläres Ereignis geblieben – auch im Alter von 58 Jahren.

Sein beachtliches Werk umfasst Romane, Erzählungen, Gedichte, Dreh bücher und Essays.Gleichwohl lässt sich an Saegers biografischer Zäsur exemplarisch erinnern, wie Schriftsteller in der DDR berufsständig werden konnten. Am 31. Juli 1976 hing er seinen sechs Jahre ausgeübten Lehrerjob an den Nagel und ab 1. August genoss er die Vorzüge und Mühen des Daseins als freier Autor, wenn auch erst ein Jahr auf Probe. Für den schon als Kind schreibend Selbstverständigung Suchenden war dies ein Punkt im Leben, auf den alles hin zu streben schien. Große Themen seines Werks beschäf tigen ihn eine Lebensewigkeit. Etwa die naive Frage, warum sich ein kräftiger Recke nicht gegen Schlangen zur Wehr setzen kann, mündete Jahrzehnte später in den Roman „Laokoons Traum“ (2002).

Der literarische Durchbruch kam 1976 eher unerwartet. Gut zehn Jahre lang gingen Manuskripte von Ueckermünde aus nach Berlin an den Aufbau Verlag, der dem jungen Autor 1975 mitteilte, er solle das Schreiben lieber sein lassen. Manchmal, wie auch in diesem Fall, löst ein Verlagswechsel den Knoten. Der Rostocker Hinstorff-Verlag brachte im Früh sommer 1976 den Erzählband „Grüner Fisch mit gelben Augen“ heraus, zwei Texte erschienen in einer Anthologie und der Rundfunk strahlte das Hörspiel „Besuch beim lieben Gott“ aus. Dem Schriftstellerverband Neubrandenburg, der fast ausschließlich aus im Norden angesiedelten Autoren bestand, schien das Talent vom Haff ein Glücksfall, das lange gesuchte Eigengewächs.

Man lud Saeger zu Lesungen ein und war angetan. Dass der Newcomer von jetzt auf gleich den stark personalreglementierten und kaderbewirtschafteten Bereich der Volksbildung verlassen konnte, war Günter Ebert zu verdanken. Der mächtige Strippenzieher des Verbandes, der nicht wenige Male in Autorenkarrieren Schicksal gespielt hat, hob hier den Daumen. Sein Verlagsgutachten zu „Grüner Fisch mit gelben Augen“ gab den Ausschlag für die Ver öffentlichung. Der damals prominente Literaturkritiker und Kinderbuchautor bürgte auch für den Kandidaten bei der Aufnahme in den Schriftstellerverband. Bei allen Stasi-Enthüllungen in der jüngeren Zeit bleibt Ebert für Saeger der entscheidende Förderer seiner Schriftstellerkarriere, dem er immer zu Dank verpflichtet sei.

Saeger ist ein Schreibjunkie, im Sinne eines kompromiss losen Entäußerers seiner Seele. „Ich wollte nie etwas anderes werden als ein freier Autor“, gibt er zu Protokoll. Auch wenn er nach diesem 1. August 1976 fünf lange Monate nichts Brauchbares zu Papier brachte. Eigentlich wollte er zur See fahren und blieb immer am Haff. Er studierte Pädagogik für die Fächer Sport und Geografie, weil er im Fach Filmregie abgelehnt wurde und sich gerade nichts anderes bot. Er wurde Grenzsoldat, weil er meinte, der Entscheidung nicht ausweichen zu können. Die Armee hatte in der unendlichen langen Zeit von 1972 bis 1973 seinen Zugang zum Textraum seines Kopfes verändert. Saeger konnte nicht mehr unschuldig reflektieren, ihm kam nun das „echte“ Erzählen, das er auch Bewältigen nennt und das nicht selten die Droge Alkohol ersetzte. Dieser 1. August 1976 ist für den Autor der magische Punkt der Sehnsuchtserfüllung in seiner Biografie, auf den sich alles hinveränderte, wenn auch vieles in der Uniform oder im Mythengewand des Zufalls daherkam.

Gern wird Saeger zu dem normalen Wahnsinnszustand eines Autors mit den Worten zitiert: „Wer schreibt, ist sich dann am nächsten, wenn er sich am weitesten von sich abstößt, wenn er, ohne sich zu verlassen, in allen Fremdheiten sein Haus findet, daß er, egal in welcher Kulisse, für einen Augenblick ungetrübten Bewußtseins seine Unsterblichkeit fühlt und alles andere bedeutungslos ist.“ „Uwe Saeger – 30 Jahre Literarisches Debüt“, Lesung zum Sommerfest im Neubrandenburger Brigitte-Reimann-Literaturhaus am 27. Juni um 19.30Uhr. Anmeldungen unter Telefon 0395 5719183