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Sozialismus

Das passierte in diesem geheimnisvollen DDR-Bau

Teterow / Lesedauer: 4 min

Der riesige Bau am Bergring in Teterow fällt durch seine exponierte Lage vielen auf. Das Haus hatte zu DDR-Zeiten besondere Bewohner.
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Auf der höchsten Stelle des Teterower Bergrings thront ein Gebäude, das jeder mit der größten europäischen Natur-Grasbahn für Motorradsport verbindet. Es hat jedoch mit der legendären Bahn und den zahlreichen Motorradrennen überhaupt nichts zu tun. Und es hat eine wechselvolle, teilweise geheimnisumwitterte Geschichte hinter sich.

Bergring-Gelände in Teterow als Kartoffelacker genutzt

Zunächst entstand in den 1930er-Jahren eine riesige Tribüne mit einer Gastwirtschaft für einige hundert Besucher, die die Rennen dank des tollen Blicks etwas luxuriöser verfolgen konnten. Dieser hölzerne Bau verschwand aber 1945 vollkommen, denn in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde Holz in den Öfen dringend gebraucht, um den Winter 1945/46 und vor allem den „Hungerwinter“ 1946/47 zu überstehen. In diesen Jahren konnte sich zudem wohl niemand so richtig vorstellen, dass es auf dem Bergring jemals wieder Rennsportveranstaltungen geben würde. So wurde das Bahn-Gelände auch als Kartoffelacker und die Bahn selbst für Holztransporte in die Stadt genutzt.

In den 1930er-Jahren gab es auf dem Bergring nur eine riesige Tribüne mit einer Gastwirtschaft.
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In den 1930er-Jahren gab es auf dem Bergring nur eine riesige Tribüne mit einer Gastwirtschaft. (Foto: Archiv Dr. Christian Kunz)

Aber schon im August 1949 fand das erste Nachkriegsrennen statt. Zunächst entstand am „Hans-Winkler-Hang“ ein Wirtschafts- und Abstellgebäude. Dieses Haus stand indes nicht lange. Anfang der 1950er-Jahre baute dort die „Gesellschaft für Sport und Technik“ (GST) der DDR eine „Motorsportschule“, die in ihrem äußeren Erscheinungsbild gut 40 Jahre lang unverändert blieb. Allerdings war die Nutzung durch die GST zeitlich sehr begrenzt. Eventuell waren die Betreibungskosten einfach zu hoch.

Ideologische Schulungen

Gesicherte Erkenntnisse darüber, wie es weiterging, liefert die Ausgabe der Tageszeitung „Freie Erde“ vom 2. Februar 1959. Mittlerweile war das Haus seit einem dreiviertel Jahr als Schulungsgebäude im Besitz des „Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes“ (FDGB). Seit Januar 1959 wurden dort nur noch Gewerkschafter aus den Bezirken Neubrandenburg und Schwerin ausgebildet, damit sie ihre Arbeit als Funktionäre der größten Massenorganisation der Arbeiterklasse noch besser ausführen können. Es wurden laut Zeitungsbeitrag „hohe Maßstäbe“ angesetzt.

Es hieß: „Die Schule hat die Aufgabe die Kollegen und Kolleginnen im Geiste des Sozialismus und proletarischen Internationalismus zu klassenbewußten und moralisch einwandfreien Menschen zu erziehen, die ihren Kollegen im Betrieb Vorbild bei der Meisterung des Aufbaus des Sozialismus sein können.“ Grundlage dafür war die Vermittlung der marxistisch-leninistischen Theorie.

Dann wurde der Ablauf der Lehrgänge geschildert: „Jeder Schüler wird im Laufe seines ¼jährigen Studiums 14 Tage zur praktischen Arbeit im Betrieb eingesetzt. Außerdem leisten die Schüler gemeinsam mit den Lehrern und der Belegschaft der Schule in ihrer Freizeit viele Stunden Aufbauarbeit in den Paten-LPG und auch auf dem Gelände der Schule selbst.“ Und es wurden Erfolge gemeldet: „In der kurzen Zeit des Bestehens unserer Schule wurde von den Kollegen im freiwilligen Einsatz für die LPG Schwasdorf ein Maissilo gebaut, für die LPG Mieckow ein Hühnerstall aufgebaut, sehr aktiv bei der Einbringung der Getreide- und Hackfruchternte geholfen und viele Einsatzstunden zur Verschönerung des Geländes der Schule geleistet, so dass insgesamt 6180 Stunden freiwilliger Arbeitseinsatz bewältigt wurden.“

DDR-Staatssicherheit übernahm das Kommando

Ende der 1970er-Jahre war es damit abrupt vorbei. Das Gebäude wurde der Öffentlichkeit in einer „Nacht- und Nebelaktion“ für mehr als zehn Jahre entzogen. Jetzt zogen dort Gäste ein, die unter der Aufsicht der DDR-Staatssicherheit standen: Es wurden südafrikanische Kämpfer des ANC (African National Congress) einquartiert. Das Areal hinter der Schule, der „Appelhäger Forst“, wurde zum Ausbildungsgelände und mit Stacheldraht eingezäunt.

Das Leben in Teterow ging indes ganz normal weiter. Jeder ahnte oder wusste, was sich jetzt dort abspielte, offiziell geredet wurde wohl fast nie darüber. Es kursierten Gerüchte, doch zu Gesicht bekam man die „ANC-Kämpfer“ nicht, sie reisten nachts an beziehungsweise ab und lebten vollkommen isoliert. In die Stadt kam jedenfalls nie einer von ihnen. Und die dort Beschäftigten wurden bestimmt zum Schweigen verpflichtet.

Allerdings waren manche Teterower von der plötzlichen Neunutzung des Geländes total überrascht worden. Der damalige Sportlehrer Hans-Jürgen Berg leitete eine Laufgruppe und musste von feststellen, dass die gewohnte Trainingsstrecke wegen des Zauns nicht mehr passierbar war. Warum, wusste er nicht. Also wurde ein Durchschlupf im Zaun gesucht – und weiter ging’s. Welche Konsequenzen dies hätte haben können, stand offenbar überhaupt nicht zur Debatte. Auch der spätere langjährige Bürgervorsteher Werner Herzlik war während eines Spaziergangs mit seiner Frau über den Bocksberg „total baff“, als er von den Afrikanern mit Ferngläsern beobachtet wurde.

Mit dem Zerfall der DDR Ende 1989 und der Auflösung der Stasi war dieses Kapitel des „Hauses am Bergring“ beendet. Am 1. April 1990 wurde aus dem Gebäude ein „Alten- und Pflegeheim“, das die bestehenden Heime in Burg Schlitz und Groß Markow Schritt für Schritt ersetzte, was auch dringend nötig war. Mitte der 1990er-Jahre erwarb dann das Deutsche Rote Kreuz (DRK) die Immobilie und das dazugehörige Grundstück von der Stadt Teterow, investierte sehr viel und gestaltete das Ganze in eine der beiden DRK-Bildungsstätten von Mecklenburg-Vorpommern um. Auch heute noch ist das Haus ein DRK- Aus- und Weiterbildungszentrum. Übrig blieben aber ebenfalls Relikte, also weiterhin ungenutzte Gebäude, sowie das alte Pförtnerhaus, das in den 1990er-Jahren noch als „Naturschutzstation“ genutzt wurde.